Auszüge aus Arno Gruen's
"Der Wahnsinn der Normalität"

Realismus als Krankheit: eine grundlegende Theorie zur menschlichen Destruktivität

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Vorwort

Dieses Buch ist in der Hoffnung geschrieben, daß meine Erfahrungen und Beobachtungen anderen Menschen helfen können, sich mit ihren eigenen Wahrheiten besser zu behaupten. Diese Arbeit ist meine Reaktion auf die persönlichen und beruflichen Erlebnisse mit dem Wahnsinn der Realität, der im Namen der Liebe Tod und Zerstörung hervorbringt.

Es ist ein Akt des Selbstverrats, wenn das Kind das Bewußtsein für sein eigenes Selbst zu verlieren beginnt. Dieser Prozeß setzt damit ein, daß das Kind die Gefühle von Vater und Mutter nicht mehr unmittelbar wahrnimmt, sondern sich danach richtet, wie diese sich selbst sehen. Solch eine "Anpassung" an die elterlichen Machtbedürfnisse führt zu einer Spaltung in der psychischen Struktur des Kindes. Es trennt seine Innenwelt von seinen Interaktionen mit der Umwelt. Damit gehen der Zusammenhang und die Wechselwirkungen zwischen Handlungen und Motivationen verloren. Um teilhaben zu können an der Macht, die das Kind unterwirft, ersetzen Gehorsam und Anpassung die Verantwortung für das eigene Handeln. Hat man den Bezug zum eigenen Inneren verloren, dann kann man sich nur auf ein verfälschtes Selbst beziehen: auf das Image, das sich an bestimmtem Verhalten und an Gefühlslagen orientiert, die der Umwelt gefallen. Das Bedürfnis und vielleicht auch der Zwang, ein solches Image aufrecht zu erhalten, bemächtigen sich all dessen, was die eigenen Wahrnehmungen und die eigenen Gefühle und Mitgefühle hätten sein können. Die Unfähigkeit, in sich selbst zu wurzeln, ruft zerstörerisches und böses Verhalten hervor. Davon handelt dieses Buch.

Ich bin nicht der erste, der sich mit der menschlichen Destruktivität befaßt. Unter allen Lebewesen scheint der Mensch das einzige zu sein, das um der Zerstörung willen zerstört – als Selbstzweck, wie es der finnische Psychoanalytiker Martti Siirala nannte. Während etwa Sigmund Freud oder Erich Fromm das Zerstörerische des Menschen entweder in einem a priori vorhandenen Todestrieb oder in nekrophilen Bestrebungen sehen, die auf analen oder ödipalen Fehlentwicklungen basieren, glaube ich, viele Anzeichen dafür gefunden zu haben, daß das zerstörerische und tödliche Handeln des Menschen in dem Verrat begründet ist, den er um der Teilhabe an einer halluzinierten Macht willen an sich selbst begangen hat. Da dies aber nicht ein "höheres" Schicksal ist, sondern der einzelne an seiner eigenen Unterwerfung mehr oder weniger bewußt mitgewirkt hat, entsteht ein lebenslanger Selbsthaß. Das Schreckliche einer solchen Entwicklung liegt darin, daß dann nur noch Zerstörung das Gefühl des eigenen Lebendigseins vermittelt.

Im ersten Kapitel gehe ich der Frage der Verantwortung nach und stelle ihr das gegenüber, was gewöhnlich als ihr Maßstab gilt: Pflicht und Gehorsam. Davon ausgehend, komme ich zu einer Charakterisierung von Wahnsinn, die von der offiziellen Psychologie und Psychiatrie abweicht. Deren Betrachtungsweise beschränkt sich darauf, menschliches Verhalten ausschließlich vom Grad des Realitätsbezugs her zu beurteilen, was selbstverständlich seine Berechtigung hat. Nur verhindert sie damit die Annäherung an eine schwerer faßbare und gefährlichere Pathologie, zu deren eigener Methode das Verbergen gehört: der Wahnsinn, der sich selbst überspielt und sich mit geistiger Gesundheit maskiert. Er hat es nicht schwer, sich zu verbergen, in einer Welt, in der Täuschung und List realitätsgerecht sind.

Während jene als "verrückt" gelten, die den Verlust der menschlichen Werte in der realen Welt nicht mehr ertragen, wird denen "Normalität" bescheinigt, die sich von ihren menschlichen Wurzeln getrennt haben. Und diese sind es, denen wir die Macht anvertrauen und die wir über unser Leben und unsere Zukunft entscheiden lassen. Wir glauben, daß sie den richtigen Zugang zur Realität haben und mit ihr umgehen können. Aber der "Realitätsbezug" eines Menschen ist nicht der einzige Maßstab, um seine geistige Krankheit oder Gesundheit festzustellen, sondern man muß auch fragen, inwieweit menschliche Gefühle wie Verzweiflung, menschliche Wahrnehmungen wie Empathie und menschliches Erleben wie Begeisterung möglich oder eliminiert sind.

Das zweite Kapitel befaßt sich mit dem Selbsthaß und seinem Ausgangspunkt: der Grundlüge, die den eigenen Anteil an der Unterwerfung verschweigt. Wenn man das eigene Selbst zurückgewiesen hat, weil es die eigene Machtposition gefährdet hätte, beginnen Rachegefühle das Leben zu bestimmen. Man besteht darauf, dafür geliebt zu werden, anderen Schmerzen zuzufügen, was nicht selten sogar als Wohltätigkeit ausgegeben wird. (Hatte man nicht früher die Eltern dafür zu lieben, daß sie einem Schmerzen bereiteten, denn sie hatten doch nur das Beste für einen im Sinn?) Ein abgespaltenes Selbst kann sich nicht mit der eigenen Unterwerfung und Kollaboration auseinandersetzen, daher muß die Behauptung der Eltern, daß ihre Forderungen aus Liebe kamen, akzeptiert und verteidigt werden. Im Namen solcher elterlichen "Liebe" und "Fürsorge" etabliert sich die Macht über andere Menschen.

Ich ziehe für diesen Zusammenhang Beispiele aus dem Dritten Reich heran, nicht weil die Nazis Deutsche waren, sondern weil der deutsche Faschismus besonders klar Vorgänge beleuchtet, die es überall dort gibt, wo Menschen von ihrem Inneren abgetrennt sind. Mit dem Ende des Dritten Reiches wurden seine Voraussetzungen keineswegs abgeschafft. Noch immer wird statt menschlicher Substanz das äußere Erscheinungsbild gefördert, wird Anpassung statt innerer Unabhängigkeit belohnt. Heute geben sich diese Voraussetzungen mehr denn je den Schein von "Humanität" und "Menschenfreundlichkeit". Das Schreckliche versteckt sich immer öfter hinter lächelnden Mienen und kommt als Freundlichkeit scheinbar rücksichtsvollen Verhaltens daher. Daher ist es schwieriger geworden, die tatsächliche Krankheit unserer Zeit zu erkennen.
Im dritten Kapitel widme ich mich der Besessenheit vom Tod, in die ein Mensch fast zwangsläufig verfällt, der seine empathischen Fähigkeiten unterdrückt hat. Ich gehe davon aus, daß menschliche Entwicklung zwei grundsätzlich verschiedene Richtungen nehmen kann, und zwar die, die ein mit der Außenwelt verbundenes Inneres ausbildet, und die, die zur Außengelenktheit unter Preisgabe des eigenen Inneren führt. Kennt eine außengelenkte Entwicklung nur Gehorsam und Anpassung und nicht mehr den Schmerz, ist destruktives Verhalten der "natürliche" Endpunkt. Die Weichenstellung zwischen den Entwicklungen nach innen und nach außen erklärt nicht nur die beiden unterschiedlichen Wege der persönlichen Selbstorganisation, sondern konstituiert auch zwei völlig entgegengesetzte Realitäten: die Realität der Macht und die Realität der Liebe.

Gefühle, die in Wirklichkeit keine Gefühle sind, behandelt das vierte Kapitel. Es führt hinein in den Problemkreis der Identifikation, die öfter, als wir wahrnehmen, nicht zu einer eigenen Identität, sondern zu deren Vermeidung führt.

Diese Frage entwickele ich weiter im fünften Kapitel, und zwar im Hinblick auf den Charakter von Rebellion und Konformität und deren Verhältnis zur Gewalt. Ich stelle die These auf, daß es zwischen der Entwicklung zur Konformität und der zur Rebellion viele Übereinstimmungen gibt und daß diese auf das Verhältnis zur "schlechten" Mutter zurückzuführen sind. Während der Konformist die schlechte Mutter als "gute" Mutter verteidigt, strebt der Rebell zur guten Mutter, während sein Handeln tatsächlich vom Einfluß der schlechten Mutter bestimmt ist.

Wie sich das auf die Machtausübung der mächtigen Männer dieser Welt auswirkt, zeigt das sechste Kapitel. Unter anderem nehme ich die amerikanischen Präsidenten Kennedy, Nixon und Reagan und ihre Außenpolitik in den Blick.

Den Typus des Psychopathen, der für mich den extremen Gegenpol zum Schizophrenen darstellt und den der Wahnsinn der scheinbaren Normalität in seiner höchsten Steigerung kennzeichnet, versuche ich im siebten Kapitel genauer zu beschreiben. Für manche Leser vielleicht überraschend, aber äußerst aufschlußreich, verkörpert diesen Typus eine Figur der Weltliteratur, nämlich Ibsens Peer Gynt.

Im achten Kapitel schließlich arbeite ich die zwei gegensätzlichen Richtungen des Wahnsinns aus: Wahnsinn als Lebensform und Wahnsinn als Protest gegen die als unerträglich empfundenen Formen des sozialen Lebens und der zwischenmenschlichen Beziehungen. Die erste Art des Wahnsinns gilt in unserer Zivilisation als "Realismus" und nur die zweite als Krankheit.

Einige der hier gestellten Fragen berührte ich schon in meinem Buch Der Verrat am Selbst. Hier greife ich sie auf, um sie zu vertiefen, nicht um sie zu wiederholen.
Es mag auffallen, daß ich sehr oft auf die Literatur zurückgreife. Literatur und Dichtung sind meines Erachtens näher an der menschlichen Realität als etwa die psychologische Forschung. Diese orientiert sich viel zu stark am Mythos der "Realität", am Mythos der daraus resultierenden Machtstrukturen.

Der Künstler aber hat sich den Zugang zu den menschlichen Bedürfnissen und Beweggründen bewahrt. Ein Schriftsteller schreibt nicht zuletzt deshalb, weil er mit seiner schöpferischen Kraft gegen den Betrug der "herrschenden Meinung" ankämpfen will. Er spricht noch in einer Sprache, die von der Ganzheit menschlicher Erfahrung weiß.
Die Wissenschaft dagegen versucht, wie Michael Polanyi es treffend charakterisiert hat, "die menschliche Perspektive aus unserem Weltbild zu entfernen, um uns in die Absurdität zu führen". Deshalb ist mir das Zeugnis der Schriftsteller sowohl für die Ganzheit als auch für die Gespaltenheit des menschlichen Erlebens so wichtig im Hinblick auf die Thesen dieses Buches. Ihr Zeugnis liefert anschauliche Beispiele für den Wahnsinn, der sich unter der Maske der Gesundheit verbirgt und heute im Begriff ist, die Menschheit zunehmend der Selbstvernichtung auszuliefern.

Um meine Sicht der Zusammenhänge zu illustrieren und empirisch zu belegen, greife ich manchmal zu Beispielen, die als Extreme menschlichen Verhaltens erscheinen mögen. Mancher wird sie vielleicht für wenig erhellend halten, da er die Vielfalt menschlichen Verhaltens nicht als ein Kontinuum sieht. Eine solche Ausklammerung spiegelt aber die verbreitete Ablehnung der Fäden, die uns alle miteinander verbinden. Sie ist eher nur ein scheinlogisches Manöver, das vom Weg abführen soll. Die Logik der Aufteilung menschlichen Seins in Kategorien und Fächer dient nur dazu, unsere Zweifel an unserer Ganzheit zu verstärken und uns unsicher zu machen. Unsere Ganzheit aber gründet auf dem, was uns unser Gefühl und unser Herz sagen. Die Sprache des Herzens kommt aus den tiefen Bedürfnissen nach Liebe und Wärme, die man sowohl geben als auch empfangen möchte. Unsere Zivilisation aber hat uns ängstlich gemacht und versetzt uns in Scham, wenn wir uns verwundbar fühlen. Die Sprache der "Realität" verspricht uns Erleichterung von der "Last" unserer Bedürfnisse, was uns bereit macht, unseren eigenen Wahrnehmungen nicht mehr zu trauen. Daher ist unsere einzige Rettung die Sprache des Herzens. Die Spaltung muß überwunden werden, indem man sich nicht der Logik einer vorgeblichen "Realität" anschließt, sondern auf der eigenen Fähigkeit zum Mitgefühl, zum Erleben von Leid und Freude insistiert. Deshalb auch habe ich dieses Buch geschrieben.

Ich möchte vier Freunden danken für die anregenden Ideen und ihr bereicherndes Sein, mit denen sie zu diesem Buch beigetragen haben. Zwei davon sind ungewöhnliche Psychiater und Psychoanalytiker: Walther H. Lechler und Martti Siirala. Der dritte, Aarne Siirala, ist Theologe und Philosoph. Das tiefe empathische Einfühlungsvermögen des vierten, Hans Krieger, hat viel zur Entfaltung meiner Ideen beigetragen. Die Gespräche mit ihm haben mir auch geholfen, manche Gedankengänge klarer zu entwickeln und präziser zu formulieren. Der Ganzheit des Denkens und Lebens dieser Freunde verdanke ich sehr viel. Dies gilt auch für Gaetano Benedetti, dessen tiefe Menschlichkeit uns den Weg zum Schizophrenen eröffnet hat und dessen Großzügigkeit mich persönlich unterstützte. Ebenso schulde ich Dank meiner Lektorin Ulrike Buergel-Goodwin, deren Begeisterung und Verständnis zur besseren Vermittlung meines Anliegens beigetragen haben.

Selbsthaß als Ursprung der menschlichen Destruktivität

Klaus Barbie, der gefürchtete Gestapo-Chef von Lyon, machte einmal ein bezeichnendes Eingeständnis. Er wurde zur Folterung und Ermordung des französischen Widerstandskämpfers Jean Moulin befragt und sagte: "Als ich Jean Moulin verhörte, hatte ich das Gefühl, daß er ich selbst war." Mit anderen Worten: Je mehr er in Jean Moulin sein eigenes, zurückgewiesenes Selbst erkannte, um so mehr mußte er ihn – also sich – hassen und töten.

Dieses seltene Eingeständnis macht offensichtlich, daß Haß aus Selbsthaß entsteht. Der Mörder erkennt in seinem Opfer sein eigenes Selbst. Es ist aber ein Selbst, das er zu fürchten begonnen hat, als es nicht in das elterliche Selbstwertgefühl paßte, so daß Mutter oder Vater das Kind zwangen, sich ihrem Willen zu unterwerfen. Ein solches Kind wird dafür später Rache nehmen wollen, es wird als erwachsener Mann danach trachten, dafür geliebt zu werden, daß er anderen Leid zufügt, und gleichzeitig wird er ein solches Handeln entschieden leugnen.

Ist so die Entwicklung eines Mannes verlaufen, wird in der bedrängenden Lage, in der sich sein Opfer befindet, nicht nur das eigene, lang zurückliegende Leiden reaktiviert, es wird das, was von seiner eigenen Menschlichkeit übriggeblieben ist, nun wieder erwachen. Deshalb reagieren solche Männer auf das, was die Reste ihres eigenen Selbst wieder hervorholt, ausnahmslos mit gesteigerter Verachtung und mit Haß, um so die Stimme des Opfers, das sie so sehr in sich selbst hassen, zum Schweigen zu bringen. Die Beziehung zur eigenen Menschlichkeit ist zerstört, weil diese Männer in ihrer eigenen, lang zurückliegenden Geschichte, die eng mit dem Gefühl von Schwäche verbunden ist, die ausbeutende Liebe ihrer Eltern auf Befehl in "wahre" Liebe umdeuten mußten.

Ich habe in erster Linie von Männern gesprochen, obwohl natürlich ebenso Frauen den Zugang zu ihren Gefühlen verlieren können die schrecklichen Berichte über weibliche KZ-Aufseherinnen haben uns darüber belehrt. Denn in unserer Kultur, die beherrscht ist von der Ideologie der männlichen Überlegenheit, gründet die weibliche Selbstachtung nur zu oft auf den männlichen Kriterien und verleugnet die eigenen weiblichen Eigenschaften.

Diese unglückliche Entwicklung von Frauen ist mitverantwortlich sowohl für den unbewußten Groll einer Mutter gegen den eigenen Sohn, als auch für dessen Überschätzung. Diese Uberschätzung verstärkt in der Mutter das Bedürfnis, den Sohn zu beherrschen, um ihn für die Steigerung ihrer eigenen Selbstachtung zu benützen. Forschungen von James R. Cameron und mir haben die Komplexität dieser Vorgänge aufzudecken versucht. Wie sehr sie im Verborgenen wirken, zeigte Cameron, als er feststellte, daß es nach der Geburt eines Sohnes bis zu drei Jahren dauern kann, ehe die ablehnende Haltung der Mutter sichtbar wird. Ähnliches konnte ich in einer Arbeit aufzeigen: Der Schlüssel für schizoides und überintellektuelles Verhalten bei Männern liegt in der kulturellen Überbewertung des männlichen Kindes und in der daraus resultierenden größeren Ambivalenz der Mutter ihrem Sohn gegenüber. Sie lehnt ihn ab, weil seine Überschätzung ihre eigene weibliche Bedeutung leugnet, gleichzeitig ist der Sohn für sie die Quelle ihrer Selbstachtung in einer vom männlichen Mythos beherrschten Welt. Daraus erklärt sich auch, daß Mädchen weniger den mütterlichen Ambitionen ausgesetzt sind, gleichwohl sind Mädchen nicht immun gegen solche Zwänge. Doch welches Geschlecht auch immer ein Kind hat: Wird es erst einmal zum Objekt ausbeutender Liebe, die als "wahre" Liebe ausgegeben wird, so erfährt es eine grundlegende Verzerrung seiner Einstellung zum Leben. Es erlebt, daß nicht der, der ihm Leid zufügt, im Unrecht ist, sondern daß sein eigenes inneres Sein "fehlerhaft" ist. Die Rechtfertigung der falschen Liebe kann dann geradezu zum Lebensinhalt werden:

Wer die Menschen unterdrückt und peinigt, meint es gut mit ihnen. Dies wird ganz konkret sichtbar, wenn eine ausbeutende, manipulierende und dominierende Mutter als gute Mutter verteidigt wird. (Was natürlich genauso gegenüber einem Vater geschieht.)

Diese ganz grundsätzliche Lebenslüge beinhaltet mehreres gleichzeitig:

  • Sie verneint wahre Liebe, haßt sie, weil das eigene Innere für fehlerhaft erklärt worden war. Wahre Liebe wird nicht ertragen, weil man einmal akzeptiert hat, daß das eigene Selbst die Ursache für die elterliche Unterdrückung war, und weil man alles ablehnt, was dem widerspricht, um nicht die Eltern hassen zu müssen. Einzig die falsche Liebe, die Wohlverhalten belohnt, ist nun das Ziel aller Anstrengungen. Das Bemühen, es denen recht zu machen, die uns als Menschen eigentlich negieren, wird zur treibenden Kraft im Leben.

  • Pflichterfüllung tritt damit an die Stelle persönlicher Verantwortung – ein hervorstechendes Merkmal unserer Zeit. Abstrakte Ideen können dabei die dominierenden Eltern ersetzen, von deren falscher Liebe man Bestätigung erhofft hat. Pflichterfüllung wird zur überpersönlichen Motivation des Handelns und vermittelt ein Ersatz-Gefühl des Lebendigseins.

  • Eine solche Lebenslüge leugnet, daß man sich aus Schwäche dem Willen eines anderen überantwortet und die eigene Authentizität verwirkt hat, um an der Macht teilzuhaben. Machtteilhabe als Überlebensstrategie und Kompensation des Gefühls der Schwäche zwingt ihrerseits zum Festhalten an der Lebenslüge.

Über Pflichtbewußtsein

Wenn die Pflichterfüllung durch den sozialen Druck zur dauernden Antriebsfeder wird, verstärkt sich fortwährend die Bereitschaft, sich dem Willen eines anderen zu unterwerfen. Außerdem wird immer weiter beschnitten, was noch vom Gefühl der Eigenverantwortlichkeit – und der Fähigkeit zum Mitgefühl – übriggeblieben ist. Pflichterfüllung wird ein willkommener Weg, auf dem man der persönlichen Verantwortung, die durch Mitgefühl erwachen könnte, entkommen kann. Hat man sich für die Pflichterfüllung entschieden, so entgeht man auch dem Schmerz, der von dem eigenen Mitgefühl hervorgerufen werden könnte. Ein so von der Pflicht besessener Mensch ist sogar dazu bereit, in treuer Pflichterfüllung zu sterben – und diese abstrakte Idee hält er für Verantwortlichkeit.

Die wahre Natur einer solchen "Verantwortlichkeit" entlarvt sich nirgends besser als durch die wiederkehrende Rechtfertigung, die Kriegsverbrecher vorbringen: "Ich stand unter Befehl." Und dem folgt zwangsläufig der Satz: "Man – eine Autorität – hat mich dazu veranlaßt." Dies macht den wirklichen Hintergrund aller Pflichterfüllung, die sich an Abstraktionen orientiert, offensichtlich. Ihr Kennzeichen ist es, daß jemand die Eigenverantwortung meidet, die aus der Konfrontation mit den eigenen Maßstäben entstehen könnte. Davon schrieb Jakob Wassermann in Der Fall Maurizius:

Ich meine nämlich, Gut und Böse entscheiden sich nicht im Verkehr der Menschen untereinander, sondern ausschließlich im Umgang des Menschen mit sich selbst.

Ausschlaggebend für diese Beziehung zu sich selbst ist die empathische Erfahrung, die ein Mensch sowohl mit seinen eigenen Leiden und Freuden als auch mit denen anderer Menschen gemacht hat. Ob diese Fähigkeit lebendig oder abgestorben ist, hängt ab von den Erfahrungen, die ein Kleinkind in der körperlichen Nähe der Mutter gemacht hat. Es lernt im wahren Sinn des Wortes, an der Brust der Mutter "die Welt mit seinem suchenden Mund und seinen tastenden Sinnen wahrzunehmen". Die Unmittelbarkeit solcher Gefühle vermittelt bereits dem Säugling Leid und Freude des Menschseins.

Wir alle haben diese Erfahrung gemacht, aber sie wird durch den auf uns einwirkenden gesellschaftlichen Druck verzerrt, und unserem Selbst wird eine äußerliche Richtung gegeben. Wenn diese Veräußerlichung uns völlig von unseren empathischen Fähigkeiten abzutrennen vermag, geht auch unsere Fähigkeit verloren, zwischen Pflicht und Verantwortung zu unterscheiden. Diese erscheinen dann als ein und dasselbe, und wir bemerken nicht mehr, daß Menschen, die verantwortungsvoll zu handeln scheinen, in Wirklichkeit nichts anderes tun, als irgendwelchen abstrakten Vorstellungen zu gehorchen. Wo auf dem politischen Spektrum einer angesiedelt ist, spielt dabei keine Rolle. Ein Selbst, das sich nach dem Prinzip der Macht organisiert hat, wird immer darauf bestehen, daß es sich in Übereinstimmung mit der jeweiligen politischen Ideologie verantwortungsbewußt verhält. Doch die wahre Natur eines solchen Seins wird in seiner ganzen Äußerlichkeit offensichtlich, wenn wir beobachten, wie leicht solche "verantwortungsbewußten" Menschen ein ganzes Bündel von "Verantwortungen" in den Wind schlagen und die Richtung wechseln können, sobald die Macht in andere Hände übergeht.

Dieses Phänomen des plötzlichen Wechsels in eine entgegengesetzte Richtung charakterisiert die Ergebenheit eines Menschen an die herrschenden Regeln, an einen Führer oder eine politische Ideologie, und demonstriert sehr anschaulich, was es mit dem auf sich hat, was wir gewöhnlich unter "Identität" verstehen. Dieses Phänomen zeigt, daß viele Menschen glauben, Identität und Pflicht seien tatsächlich dasselbe. Pflichttreue und Pflichterfüllung werden für "Identität" gehalten. Wo immer das geschieht, kann man sicher sein, daß kein eigenes inneres Selbst vorhanden ist. Die Geschichte Nazi-Deutschlands demonstriert dies äußerst drastisch.

Kaum war die Nazi-Herrschaft zu Ende, vertauschte man, ohne die Heuchelei zu bemerken, die Treue zum Nationalsozialismus mit dem Gehorsam gegenüber den neuen demokratischen oder kommunistischen Normen. Die Lektion des Nazitums ist nicht nur eine Geschichtslektion über Machtpolitik, Gier, Größenwahn und über das Böse, sondern sie lehrt auch, was Männer und Frauen zu tun imtande sind, wenn sie keine Beziehung zu ihrem inneren Sein haben. Dies zu erkennen könnte dazu beitragen, uns heute vor Ähnlichem zu bewahren. Denn solche Menschen sind nach wie vor überall unter uns. Statt politischen Ideologien folgen sie heute zum Beispiel den Gesetzen des geschäftlichen Erfolges. Und so können sie noch öfter die Loyalitäten, also die Identitäten, wechseln. Wie flexibel man auf die Anforderungen immer neuer Loyalitäten – und damit kollektiver Identitäten zu reagieren vermag, ist zum Gütesiegel der Anpassungsfähigkeit und des "Realitätssinns" geworden. Dies erschwert es heute sehr, die Gefahr zu erkennen, die diese Anpassungsfähigkeit für die Menschheit darstellt.

Die Nazi-Zeit bietet sehr anschauliche Beispiele dieser Entwicklung. In Albert Speer, unter anderem Hitlers Rüstungsminister, kündigte sich sehr deutlich dieser moderne Typus des erfolgreichen Managers an, wie wir ihn heute kennen: ein verbindlicher Mann, genial im Erspüren und Ausnützen der gerade tonangebenden Strömung, elegant, scheinbar einem großen, überpersönlichen Ziel ergeben, allem gegenüber aufgeschlossen – und deshalb amoralisch und trotz der Brillanz seines Auftretens ohne innere Identität.

Als Albert Speer im Nürnberger Prozeß vom amerikanischen Hauptankläger Robert H. Jackson verhört wurde, kam ein Mann zum Vorschein, der nicht die geringste Empfindung hatte für die Widersprüche zwischen dem, was ist, und dem, was sein sollte. Während des Krieges schickte er Zwangsarbeiter in die Rüstungsfabriken, ohne einen Gedanken an ihre Rechte und an ihr Wohlergehen zu verschwenden. Ihn interessierte nur die Anzahl. Obwohl dieser Mann den völligen Mangel menschlicher Regungen während seiner Tätigkeit offenbarte, beeindruckte er – nicht zuletzt in seinen 1969 erschienenen Erinnerungen mit seiner Weltgewandtheit, seiner scharfen Beobachtungsgabe und mit seinem Wissen, was man zu fühlen hat. Und genau das ist der entscheidende Punkt. Der moderne Mann dieses Typus weiß, welche Gefühle er zu haben hat, doch er erlebt nicht die widerspruchsvolle Spannung, die entstehen würde, würde er tatsächlich mit seinen Gefühlen leben. Denn dann würde er mit den Widersprüchen konfrontiert zwischen seiner Sicht der organisatorischen Notwendigkeiten und Ziele, für die er sich einsetzt, und der empathischen Wahrnehmung des Leidens der betroffenen Menschen. Ein Mann wie Speer, der nur zu gut wußte, was man zu fühlen hat, verkörpert den seelenlosen Manager, der es versteht, die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, welch ein gefühlvoller Mann er ist. Auch seine früheren Feinde glauben es. So schrieb die New York Times in ihrem Nachruf auf Albert Speer ganz überwältigt von seiner "Menschlichkeit". Doch er war nur ein Mann, dem alles möglich war, also auch die politische Kehrtwendung nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches.

Wenn wir solches Verhalten als realitätsbezogen einstufen, gerät die dahinter liegende Pathologie aus dem Blick: nämlich das Fehlen eines authentischen Selbst und die Fähigkeit, sich unter dem Deckmantel effizienter Organisation zerstörerischen und mörderischen Handlungen zu widmen. Ein konservativer deutscher Adliger, Friedrich Reck-Malleczewen, der 1945 im KZ Dachau ermordet wurde, beschrieb diesen Albert Speer als einen Mann, der "in seiner konstruktiven Visage diese widerlich mechanistische Bubenseele seiner Generation offenbart". Dieser konservative Mann, dessen Widerstand gegen den deutschen Faschismus aus dem Kern eines Menschen kam, der Mitgefühl und deshalb moralisches Empfinden hatte, erkannte ganz unmittelbar die Seelenlosigkeit des Konformisten. Genau diese Speers sind es, die mit ihrer Fähigkeit, sich an die "Realität" anzupassen, die erfolgreichen Manager eben dieser Realität werden.

Hans Frank, der mit neununddreißig Jahren Generalgouverneur im besetzten Polen wurde, ist ein anderes Beispiel, das ebenfalls den heutigen Erfolgsmenschen illustriert. Er hat sich perfekt in jede Lage eingefügt und immer die passende Rolle zu spielen gewußt, was er selbst freilich mit Ehrlichkeit verwechselte. Nach einer Verhandlung während des Nürnberger Prozesses, den er als "gottgewolltes Weltgericht" und als notwendige Untersuchung der Schreckensherrschaft begrüßte, sagte er zu dem amerikanischen Gerichtspsychologen Gustave Mark Gilbert: "Ich denke, es macht den Richtern wirklich Eindruck, wenn einer von uns ehrlich und offen ist und nicht versucht, die Verantwortung abzuschieben. Glauben Sie nicht? Ich war wirklich erfreut darüber, wie meine Aufrichtigkeit sie beeindruckte." Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf einen Menschen, der gemäß der Natur ausgedachter Gefühle tatsächlich Gefühle auftreten lassen kann. Er war, wie Gilbert es formulierte, "der Schausteller seines Gewissens", der weder Scham noch Trauer spürte oder angesichts seiner Taten Schuld, sondern nur die Rolle spielte, die seine Vorstellung von Gewissen ihm diktierte. Dieser Mann spielte dem Auditorium die Dramatisierung von Scham vor, nicht deren wirkliches Erleben.

Unfreiwillig führt uns Hans Frank auch vor, daß der Wechsel der Identität ein von außen abgeleitetes Selbst kennzeichnet. In seiner weiteren Unterhaltung mit Gilbert sprach er auch über seine "Ergebenheit" an Hitler. "Die drei Tage nach Hitlers Selbstmord waren der Wendepunkt meines Lebens. Als unser Führer hat er die ganze Welt in Bewegung gesetzt, und dann verschwand er einfach – ließ uns zurück und überließ uns die Schuld an allem, was passiert war." Nachdem Frank seinen Gehorsam auf die demokratischen Sieger verlagert hatte, erläuterte er seine Ergebenheit an Hitler folgendermaßen: "Wissen Sie, die Menschen sind so weiblich ..., so emotional, so wankelmütig, so abhängig von Moden und äußeren Umständen, so beeinflußbar ..., so bereit zu gehorchen ..., es ist nicht nur Gehorsam, sie unterwerfen sich wie eine Frau." Seine Verachtung den Frauen gegenüber spiegelt nichts anderes als die tiefere Verachtung, die er sich selbst gegenüber hat. Doch weil er sein Inneres nicht erreichen konnte, wußte er das selber nicht, und darum mußte er sich immer wieder neu unterwerfen. So kommt es zu dem wiederholten Wechsel der Identität, von dem ich spreche. Auch dies illustrierte der Nürnberger Prozeß, wo Hans Frank sich so bemühte, seine Reue zu demonstrieren. Im Gerichtssaal wurde ein Film von Hitler gezeigt – und Frank ergab sich erneut: "Als ich ihn in diesem Film sah ..., wurde ich für einen Moment ganz gegen meine Absicht wieder hinweggeschwappt. Ich bin nun mal ein so empfänglicher Mensch ... Für einen Augenblick ist man wie betrunken ..., aber das geht vorbei – man öffnet die Hand, und sie ist leer – völlig leer."

Der Identitätswechsel dieses Mannes, der ein so außengelenktes Selbst hatte, enthüllt aber noch mehr über Männer, denen die wirklichen Gefühle fehlen. In einem seiner Tagebücher aus der Zeit vor der Niederlage des deutschen Faschismus berichtet Frank von einer Sitzung in Krakau, auf der er sagte: "Meine Herren, ich muß Sie bitten, sich von irgendwelchen Gefühlen des Mitleids freizumachen. Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie finden und wie immer es möglich ist ..." Als er später gefragt wurde, wie er das hat schreiben können mit einem solchen Gleichmut und offensichtlich mit Vergnügen an Massenmord und Auslöschung, antwortete er: "Ich weiß es nicht, ich kann es selbst kaum verstehen." An diesem Punkt sagte er vermutlich sogar die Wahrheit! Ein außengelenktes Selbst gehorcht der Macht, die im Augenblick herrscht. Sobald sein Gehorsam überwechselt – im Fall Franks zu den demokratischen Siegern – kann einer sein früheres Selbst nicht mehr verstehen. Denn würde er sich zu verstehen versuchen, würde er seiner inneren Leere gegenüberstehen. Frank konnte sagen, daß er sich leer fühlte, aber er hatte keine innere Kraft, sich dem Schmerz und dem Leid auszusetzen, die eine wirkliche Selbstkonfrontation mit sich gebracht hätte. Er nannte sich ein "empfängliches" Individuum. Aber diese Art von "Empfänglichkeit" ist nur die Suche nach einer äußeren Identität, die Suche nach etwas, dem man sich unterwerfen kann.

Diese Beispiele nötigen uns, den Begriff der Identität neu zu überdenken. Gewöhnlich verstehen wir unter Identität die grundlegende Konstellation von persönlichen Merkmalen, die für einen bestimmten Menschen einmalig sind und ihn von anderen Menschen unterscheiden. Doch eine Identität, die ausschließlich auf Identifikation basiert, kann auch aus nichts anderem bestehen als aus einer Reihe von Pflichten, denen man sich unterwirft, um einer wirklich eigenen Identität zu entkommen. Eine so entstehende Identität ist Verrat am Selbst. Man hat sich auf eine Lüge über das eigene Selbst eingerichtet, und dies verstärkt innere Leere und Haß.

Die Natur dieser inneren Leere entzieht sich nur allzu leicht unserem Blick, gerade weil solche Menschen sehr gut darüber Bescheid wissen, wie sie sich zu verhalten haben. Sie sind Experten darin, als gefühlvolle Menschen aufzutreten. Wenn wir nicht auf der Hut sind und übersehen, daß sie keine moralische Spannung spüren zwischen dem, was ist, und dem, was sein sollte, werden wir ihren Schein für echt und ihr Verhalten für wahre Menschlichkeit halten. Und dies geschieht so oft, weil unsere Zivilisation eine solche innere "Spannung" für Krankheit hält.

Die Absurdität seiner solchen "Identität" veranschaulicht Adolf Eichmann aufs beste. Dieser Mann konnte während seines Prozesses in Jerusalem sagen: "Ich muß betonen, daß ich mich im juristischen Sinn nicht schuldig fühle", und andererseits: "Ich sehe die Ermordung, die Auslöschung der Juden als eine der schlimmsten kriminellen Taten in der Geschichte der Menschheit ..." Eichmann, der Mann, der über den Tod von Millionen zu entscheiden hatte, konnte also spitzfindig um Einzelheiten seines Bildes in der Geschichte feilschen. Als er aber im Angesicht der Macht jener, die ihn in Argentinien gefangengenommen hatten, seinen Darm entleeren mußte, fragte er seinen Wächter, als er sich auf die Toilette gesetzt hatte, ganz unterwürfig: "Darf ich jetzt?" Während einer der intimsten körperlichen Verrichtungen überantwortete er seinen Willen einem anderen, aber gleichzeitig feilschte er um das Erscheinungsbild seiner äußeren Identität.

Es trifft nicht ganz zu, was Hannah Arendt nahelegt: daß das Böse im Banalen angesiedelt ist. Es hat vielmehr seine Wurzeln darin, daß die menschlichen Möglichkeiten pervertiert, daß Menschen ohne wirkliches Selbst sind. Hannah Arendt kritisierte den Eichmann-Prozeß, der Eichmanns Handlungen aus seinem bösen Charakter heraus zu erklären versuchte. Dem hielt sie entgegen, daß es sich nur um einen "tödlich normalen" Bürokraten gehandelt habe, der nicht wußte, was er tat. Sie hat nicht die äußerste Perversion unserer Zeit gesehen, daß Menschen so auftreten können, als hätten sie Gefühle.

...

Die Machtpolitik mächtiger Männer als Ausdruck innerer Leere

Wer sich der Macht ergeben hat, für den kann es in den sozialen Beziehungen grundsätzlich keine Ebenbürtigkeit geben. Lippenbekenntnisse können darüber nicht hinwegtäuschen. Der Umgang mit anderen Menschen ist bestimmt von Stärke oder Schwäche. Deshalb muß immer mehr Macht angehäuft werden. Das Ziel dabei ist, unverwundbar zu werden und Unverwundbarkeit beweisen zu können.

Eine der schrecklichsten Folgen eines solchen verzerrten Realitätsbezugs ist der Vietnam-Krieg gewesen. Die Vietnamesen stellten in ihrem Kampf um militärische Ziele wenigstens noch die Moral der eigenen Bevölkerung und die ihrer Gegner in Rechnung. Sie sahen Sieg und Erfolg nicht nur aus dem Blickwinkel eines verengten Begriffs von Stärke. Auf der amerikanischen Seite aber stand eine Vorstellung von Stärke, die auf der frühkindlichen Erfahrung des Überwältigtwerdens durch die Macht der Eltern beruht. Aus dieser Grunderfahrung wurde die Lehre gezogen, daß Schmerz das Mittel ist, um Menschen gefügig zu machen. Etwas anderes als eine Politik der Stärke ist darum gar nicht vorstellbar.

Dieses Denkmuster prägte Richard Nixons Auffassung des Vietnam-Krieges während seiner Präsidentschaft. Er war ein Mann, für den nur Macht Bedeutung hatte. Alle Handlungen seiner politischen Karriere waren von der Verachtung für das Menschliche gekennzeichnet. Wir können seinen eigenen Worten entnehmen, daß für ihn die Möglichkeit, anderen Schmerzen zuzufügen, das einzige Mittel war, auf das Verhalten anderer einzuwirken.

Dies veranlaßte ihn zu den fürchterlichsten Bombardements des Vietnam-Kriegs und offenbarte seine extreme Mißachtung von Menschenleben. Nixon gab Einblick in seine Überlegungen zum Vietnam-Krieg in seinem Buch No More Vietnams. Weihnachten 1972 befahl er den sehr schweren Luftangriff auf die Zufahrtswege nach Hanoi, um den Nordvietnamesen zu zeigen, daß sie nicht ungestraft das Abkommen, das kurz vor dem Abschluß stand, verletzen konnten. Elf Tage lang führten US-Flugzeuge den konzentriertesten Luftangriff gegen Nordvietnam nicht um eines militärischen Vorteils willen, sondern allein, um mit militärischer Übermacht zu beeindrucken. Das Ausmaß seines besessenen Willens, Macht zu demonstrieren, seine Machtpolitik, die er selbst freilich "Realpolitik" nannte, hat eine sehr persönliche Ursache, die er enthüllte, als er zu dem Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs sagte:

Ich will nichts mehr hören von der Scheiße, daß wir irgendwelche Ziele nicht hätten treffen können. Es liegt an Ihnen, mit militärischer Macht diesen Krieg zu gewinnen, und wenn Ihnen das nicht gelingt, sind Sie dafür verantwortlich.

Solches "Zeichensetzen", das wir auch aus dem Zweiten Weltkrieg kennen, beruht nicht auf realistischer Einschätzung der Durchhaltekraft des Gegners. Es ist Ausdruck eines ganz persönlichen Wahns, der 1972 bei dem erwähnten Angriff eintausendsechshundertdreiundzwanzig getötete Zivilisten und hohe amerikanische Verluste zur Folge hatte. Nixon setzte seine "Zeichen": Im Mai 1972 besuchte er als erster amerikanischer Präsident die Sowjetunion – am Vorabend seines Treffens mit Leonid Breschnew befahl er die Bombardierung Hanois und die Verminung des Hafens von Haiphong. Er begründete es damit, den Vormarsch der Nordvietnamesen in den Süden aufhalten zu müssen, lieferte aber seine machtpolitischen Absichten ungeschminkt nach: "Wenn wir es zugelassen hätten, daß Nordvietnam Südvietnam erobert", schrieb er, "hätten die hartköpfigen Realisten in den Politbüros von Peking und Moskau meinen können, daß diese Vereinigten Staaten, die keinen Willen haben, ihre Interessen zu vertreten, auch keine würdigen Gesprächspartner sind." Was hätte besser Überzeugung und Tatkraft der Amerikaner zeigen können als ihre Entschlossenheit, Moskaus Verbündeten Nordvietnam zu pulverisieren? Und Nixon fährt fort:

Breschnew wußte, daß wir es wert waren, daß man mit uns sprach, weil wir in Vietnam gezeigt hatten, daß wir nicht nur stark genug waren, unsere Interessen zu verteidigen, sondern daß wir auch willens waren, es zu tun ... Hätten wir in Vietnam nicht gehandelt ..., hätten wir uns in eine untragbare Position der Schwäche begeben. Breschnew hätte meinen können, daß, wenn man mich in Vietnam an die Wand drängen kann, man dies mit mir auch in Moskau tun kann.

Macht diktiert hier, was "Realität" ist, und setzt dieses Realitätskonzept brutal durch. Die einzige Realität ist dann der Mythos der Macht, der auf der Phantasie des kleinen Jungen von der unbarmherzigen Herrschaft beruht. Solche kleinen Jungen sind besessen davon, weil es ihre früheste Erfahrung war, sich der Macht der Eltern zu beugen.
Das Innere solcher Machtmenschen ist zugleich angefüllt mit Selbsthaß und Leere. Henry Kissinger berichtete, wie Nixon am Morgen nach seinem überwältigenden Wahlsieg im November 1972 seine Mannschaft mit der Aufforderung begrüßte, zurückzutreten.

Es war fast so, als hätte er den Erfolg nur um seiner selbst willen angestrebt und als hätte das Leben jetzt, da er auf dem Gipfel stand, allen Sinn verloren. ... Tatsächlich hatte man manchmal den Eindruck, daß er Krisen brauchte, um sich motivieren zu lassen – da er wie ein Besessener nach dem Erfolg um seiner selbst willen strebte und, wenn er ihn errungen hatte, nicht mehr wußte, was er damit anfangen sollte.

In einem Rückblick auf Nixon und seine Zeit charakterisiert Ronald Steel Nixons Leben und im besonderen die Wirkungen der Watergate-Affäre:

Er warf seine hohe Stellung weg, als würde er unbewußt das wertlos machen wollen, was für ihn nur zu einem hohen Preis zu erringen gewesen war. Wir werden nie wissen, ob er das tat, weil er sich in der Tiefe seines Herzens für wertlos hielt und deshalb den Wert seiner Stellung erniedrigen mußte, oder weil er dem unwiderstehlichen Zwang erlag, immer wieder neue Krisen schaffen zu müssen, um sich selbst messen und siegreich daraus hervorgehen zu können.

Natürlich wissen wir es, wenn wir bereit sind zu sehen, daß Selbstverachtung und die Gier nach Macht dieselben Wurzeln haben: den Verlust des autonomen Selbst. Mit seinem Ehrgeiz, wie leer er auch sein mag, folgt ein solcher zum Mann herangewachsener Junge noch immer den Erwartungen seiner Mutter, die ihren Willen als den seinen ausgab. Und in den Handlungen dieser Männer lauert immer das Spiel mit Tod und Gefahr, das Spiel mit dem Leben anderer, denn indem sie das Scheitern herausfordern und um sich herum Zusammenbruch betreiben, nehmen sie Rache an ihrer Mutter: Sie vereiteln mutwillig das, was ihre Mutter durch sie erreichen wollte.

Der einzige Weg, den Vietnam-Krieg zu beenden lag, wie Nixon selbst sagte, daher darin, die Verhandlungen durch militärische Aktionen voranzutreiben. Er und sein Außenminister Henry Kissinger waren fixiert auf "Entschlossenheit" und "Feuerkraft", dies waren die einzigen Dimensionen ihrer Realität, und in diesem Sinn betrieben sie Außenpolitik. Wie unrealistisch ihre Position gerade im Vietnam-Krieg war, wird durch einen Dialog während der Schlußverhandlungen sehr prägnant beleuchtet. Oberst Harry G. Summers schilderte ihn. Ein amerikanischer Unterhändler sagte zu seinem vietnamesischen Gegenspieler: "Sie wissen, Sie haben uns nicht auf dem Schlachtfeld besiegt." Daraufhin der Nordvietnamese: "Das mag sein, aber das ist auch ziemlich gleichgültig."

Die Realität der Nordvietnamesen umfaßte eben mehr Dimensionen des Menschen als nur die Macht. Für sie waren Schmerz und Leid nicht in erster Linie ein Mittel, um andere Menschen einzuschüchtern. (Damit will ich nicht sagen, daß die Nordvietnamesen nicht grausam gewesen wären, daß sie nicht amerikanische Gefangene gefoltert hätten. In jeder sozialen Gruppe gibt es Menschen, die glauben, über andere herrschen zu können, indem sie ihnen Schmerzen zufügen; entscheidend ist aber, ob sie die Träger der politischen Verantwortung sind.) Sie wußten ganz im Gegenteil, daß Schmerz und Leid den Entschluß verstärken, sich nicht zu unterwerfen. Solch eine Sehweise war aber den amerikanischen "Realisten" nicht möglich, denn ihre Realität war geprägt von den Erfahrungen, die sie in ihrer Kindheit mit der Macht hatten. Weil sie selbst als Kinder vor Schmerz und Demütigung in die Anpassung geflüchtet waren, konnten sie sich andere Reaktionen gar nicht mehr vorstellen.

Die Geschichte der Menschheit ist reich an Beispielen für die Auswirkungen der eingeschränkten Realitätswahrnehmung. Daher nannte Barbara Tuchman ihre Studien über die Kriege von Troja bis Vietnam sehr zutreffend Die Torheit der Regierenden (der englische Titel lautete The March of Folly). "Torheit", schreibt sie, "ist ein Kind der Macht ... Weniger bewußt ist uns, daß die Macht häufig auch dumm macht und Torheit erzeugt; daß die Macht, Befehle zu erteilen, häufig dazu führt, das Denken einzustellen ..." Ich würde sagen, daß es nicht so sehr der Verlust des Denkens ist, sondern seine Reduktion. Und diese Reduktion wiederum ist eine Folge emotionaler Prozesse, die in direktem Zusammenhang stehen mit der frühen Anpassung an die Macht und der Flucht vor dem Schmerz. Leute wie Nixon, die die Welt nur als Input- und Output-Mechanismus sehen, bei dem Schmerz oder die Erwartung von Schmerz die Hebel sind, andere zu bezwingen, spiegeln in ihren Handlungen ihr eigenes Unvermögen, auf Schmerz anders zu reagieren als mit feiger Unterwerfung.

Diese Unterwerfung zielt letztendlich auf die Inbesitznahme der Macht, der man sich ergeben hat. Die Unterwerfung ist immer Teil einer unausgesprochenen Abmachung: "Ich ergebe mich, um mich deiner Macht anzuschließen." Mit dieser Formel verdeckt man den Selbsthaß, der aus der Unterwerfung entstand. Eine nicht von Macht geprägte Realität wird damit unvorstellbar. Das Streben nach Macht wird zwanghaft, und die Unfähigkeit, Schmerz zu ertragen, führt dazu, daß man um jeden Preis Schmerz vermeidet, denn solche Menschen empfinden Schmerz als Demütigung. Die Demütigung und Erniedrigung anderer dagegen wird eigentlicher Lebenszweck.

Genau diese Logik macht einen Feind erforderlich. Dieser liefert die Rechtfertigung für die eigenen Machtbedürfnisse und für die Eroberungen, zu denen der Selbsthaß treibt. Die zu erobernden Ziele können ein Berggipfel sein, ein wissenschaftliches Problem, ein Naturschutzgebiet, das einer Autobahn im Weg steht, oder ein Feind aus Fleisch und Blut. Man braucht einen Feind oder eine "Herausforderung". Die meisten Menschen haben eine ähnliche Entwicklung und sind deshalb anfällig dafür, sich auf diesem Weg Erleichterung von den inneren Zweifeln und Haßgefühlen zu verschaffen. Nur allzu schnell fühlen sie sich von äußeren Feinden bedroht. In welchem Ausmaß wir also solche äußeren Feinde zu unserer eigenen Erleichterung benötigen – das entscheidet letztlich darüber, wie bereit wir sind, einem Führer zu folgen, der uns einen passenden Feind offeriert.

Sogar geistig "gesunde" Führer bleiben davon nicht unberührt. Der Psychoanalytiker Horst Eberhard Richter schildert in seinen Erinnerungen eine Begegnung mit dem früheren Bundeskanzler Helmut Schmidt, dem mißfallen hatte, daß Richter die sensiblen, offenen und anfälligen Persönlichkeiten reicher und gesünder genannt hatte als die "robusten" Naturen, die sich allem anpassen können. Alle Vertreter der Macht als einer Ideologie des falschen Selbst fürchten sich vor innengeleiteten Menschen. Und sie verachten sie, weil sie diese Angst nicht zugeben können. Hierbei spielt es keine Rolle, ob einer politisch am linken oder rechten Flügel angesiedelt ist. Überall ist es Machtbesessenheit und nicht Offenheit für die Realität in ihren reichen und lebendigen Möglichkeiten.

Dies wird zu unser aller Problem, da solche Menschen in Positionen sind, von denen aus sie die Geschichte bestimmen können. Die Fixierung auf die Macht und das zwanghafte Bedürfnis, mächtig zu sein, bringen oft gerade jene an die Macht, deren innere Leere am größten ist. Barbara Tuchman arbeitet dies in den erwähnten Studien deutlich heraus und gibt Beispiele dafür, wie die Mächtigen die Realität reduzieren. Als während der amerikanischen Revolution am 17. Oktober 1777 in Saratoga die britische Armee unter General Burgoyne vor der Kontinentalarmee kapitulierte, waren die englische Regierung und das englische Volk tief bestürzt. Doch die englische Regierung überstand alle innenpolitischen Angriffe, weil niemand der Tatsache ins Auge blicken wollte, daß es sich um die Kapitulation eines unzulänglichen Begriffs von Realität handelte. Denn dann wäre sichtbar geworden, daß der "Realimus" der Machtpolitiker keine Ahnung von der tatsächlichen menschlichen Realität hat.
Wie die, die am stärksten auf dem Realismus der Machtpolitik bestehen, sich auch am meisten berechtigt fühlen, die Macht rücksichtslos auszuüben, zeigt Barbara Tuchman anhand der Anklagevertreter in der Gaspée-Affäre von 1772, als der britische Zollschoner "Gaspée" vor Rhode Island aufgebracht worden war. Die Anklagevertreter, die diesen Protest gegen den englischen Imperialismus zu einem Akt des Hochverrats am englischen Königshaus machten und die Aufständischen vor ein Gericht in England stellen wollten, waren Edward Thurlow und Alexander Wedderburn, Erster und Zweiter Kronanwalt des Königs. Beide verkörperten Menschen, die ihre innere Leere durch äußeren Glanz kompensierten.

Thurlow, der schon als Schüler aufsässig gewesen war ... und der als Jurist seinem Mutwillen und seiner Aggressivität freien Lauf ließ, besaß nicht nur ein zügelloses Temperament, sondern angeblich auch das schändlichste Mundwerk von ganz London. Dennoch war er eine imposante Erscheinung.

Vom König wurde er für seine Unterstützung zum Lordkanzler ernannt und mit einer Baronie beliehen.

Ebenso unnachgiebig gegenüber Amerika war der Schotte Wedderburn, ein von unersättlichem Ehrgeiz getriebener Mann, dem jedes Mittel ... recht war, um voranzukommen ... Obwohl der König ihn verachtete, wurde auch er schließlich Lordkanzler.

Selbstverständlich sind Männer dieser Art anpassungsfähig, und ihr "Realismus" entspricht den jeweiligen Gegebenheiten und Bedürfnissen ihrer Zeit. Entsprechend hatten sich die Voraussetzungen zweihundert Jahre später verändert. Die militärische Philosophie der massiven Vergeltung etwa wurde entscheidend modifiziert unter dem 1961 gewählten amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy. Jetzt avancierten Politiker, die intellektuell brillant, realistisch, wendig, pragmatisch und enorm robust waren. Verteidigungsminister wurde Robert McNamara, Spezialist in statistischer Analyse und voll grenzenlosen Vertrauens in die Lösbarkeit jeder Aufgabe und in die Wirksamkeit der materiellen Schlagkraft der Armee. Die Philosophie der massiven Vergeltung, die noch unter Eisenhower gültig war, wurde unter Kennedy und McNamara in die neue Verteidigungsstrategie des "begrenzten Krieges" verwandelt.

Ihr Ziel war nicht Eroberung, sondern die Ausübung von Druck; Gewalt sollte nach einem rationalen Kalkül eingesetzt werden, um die Absichten und Fähigkeiten des Feindes zu beeinflussen und ihn bis zu dem Punkt zu bringen, an dem "die Vorteile einer Beendigung des Konflikts größer sind als die Vorteile seiner Fortsetzung."

Es wandelten sich zwar die Formeln, aber der Kern blieb derselbe: "... die Absichten und Fähigkeiten des Feindes zu beeinflussen." Mit den neuen Spielregeln des Krieges machten die "neuen" Männer den Krieg zu einer Sache, die man "managen" kann, "als würde man eine Botschaft in Form von kriegerischen Maßnahmen an den Gegner schicken, der dann auf die ihm zugefügten Verluste und Schäden rational reagiert, indem er die Aktionen einstellt, die jene Maßnahmen ausgelöst haben". Ein solches rationales Management verschleiert den Irrsinn, zu glauben, Menschen könnten gefügig gemacht werden, indem man ihnen Schmerzen zufügt. "Wir stecken in einer Zwangsjacke der Rationalität", zitiert Tuchman William Kaufman, einen der neuen Ideologen der US-Macht.

Eine solche Ideologie stellt jedoch nicht in Rechnung, daß es weiterhin Menschen gab, die anders mit Schmerz umgingen und sich durch ihn nicht unterwerfen ließen. Der "realistische" Typus, der die Realität nur für eine Frage der Unterordnung unter eine Übermacht hält, wußte nichts von der Stärke jener, die trotz des Leids nicht aufhören, auf ihr Inneres zu hören. Vielleicht hatten auch deshalb die USA ein so verlorenes Spiel in Vietnam.

Ich möchte noch ein Beispiel aus Barbara Tuchmans Buch anführen. Während der Berlin-Krise des Sommers 1961 sagte Kennedy nach einer harten Begegnung mit Chruschtschow in Wien zu einem Journalisten: "Wir stehen jetzt vor dem Problem, unsere Macht glaubhaft zu machen, und Vietnam scheint der Ort dafür zu sein."

Weil Chruschtschow nicht angemessen auf Kennedy als Vertreter einer Großmacht reagiert hatte, mußte der Beweis dafür geliefert werden. Menschen scheinen keine Rolle zu spielen, wenn es gilt, Macht "glaubwürdig" zu machen. Die Wirklichkeit eines Volkes, der Vietnamesen, das um seine Selbstbestimmung kämpfte, schien diesen "Realpolitikern" bedeutungslos. Daß die Eskalation des Krieges auch zur Pervertierung des Befreiungskampfes führte, steht auf einem anderen Blatt. Wo Selbstbestimmung unterdrückt wird, gewinnen auch unter den Revoltierenden die "Realisten" der Macht die Oberhand, weil ihre verkürzte Sicht raschere Erfolge verspricht. So werden sich die Gegner im Verlauf des Kampfes immer ähnlicher.

Wie ein politischer Führer, Gefangener seiner eigenen Spielregeln der Macht, noch die letzten Gefühlsreste beiseite schiebt, demonstrierte ebenfalls Kennedy. Senator Mike Mansfield warnte nach einer Informationsreise in Vietnam vor einem stärkeren Engagement, da Amerika nicht die Führungsrolle in einem Bürgerkrieg zukomme, das Ansehen Amerikas in Asien stehe auf dem Spiel und den Südvietnamesen würde nicht geholfen.

Kennedy wurde immer erregter, während Mansfield sprach, und rot vor Zorn fuhr er ihn schließlich an: "Erwarten Sie etwa, daß ich das für bare Münze nehme?" Wie alle Regierenden wünschte er Bestätigung seiner Politik und war, wie er später einem Mitarbeiter gestand, wütend über Mansfield, weil dieser so völlig anderer Ansicht war, und "wütend über mich selbst, weil ich merkte, daß ich ihm rechtgeben mußte".

Was veranlaßte Kennedy zur Fortsetzung einer Politik, die er selbst für falsch hielt? Im Grunde der Mangel an Gefühl dafür, wieviel Leid er damit Menschen zufügte. Er war nur in Sorge um seine Wiederwahl. Einige Monate später beteuerte er Mansfield gegenüber, auch er neige mehr und mehr zu einem amerikanischen Rückzug aus Vietnam. "Aber ich kann das nicht vor 1965 machen  – nicht bevor ich wiedergewählt bin." Macht bedeutete ihm alles, menschliches Leben nichts.

Wie anders war da Abraham Lincoln, ein politischer Führer, der seinem Inneren nie ausgewichen ist. Er ist für mich ein Beispiel dafür, daß Macht nicht zu korrumpieren braucht, wenn die Voraussetzungen dafür im Inneren eines Mannes fehlen. Lincoln hatte die große Fähigkeit, Freude und Leid zu erleben. In ihm war immer ein Sinn für Selbstverantwortung, die aus dieser Fähigkeit entsteht. Er kannte Leid als etwas, das zu den Bedingungen des Menschseins gehört, und wußte, daß man es nicht mit Patentrezepten beseitigen kann. Er wußte um den Schmerz als etwas, das man akzeptieren muß, das tief in uns und unerreichbar für jede Art billiger Manipulation ist. Lincolns Humor gründete auf der Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, wie es Sandburg in seiner Lincoln-Biographie vielfach belegt. Menschen, die verstrickt sind in Selbsthaß, können dies nicht. Ein Mann wie Abraham Lincoln konnte den Schmerz durch Humor lindern, anstatt ihm mit Imponiergehabe auszuweichen.

Lincoln hob zum Beispiel, wenn immer möglich, Todesurteile von Deserteuren auf. "Niemand kann von mir erwarten, daß ich die Erschießung eines Mannes billige, der vor der Schlacht davonlief. So wie einer nichts für seinen Buckel kann, so kann ein Mann nichts dafür, daß er ein Feigling ist." Lincoln konnte Leben als solches achten, ohne Rücksicht auf sein eigenes politisches Image. "Man kann nicht die Massenerschießung von Männern befehlen ... Das kann man niemandem zumuten. Wir müssen die Verhältnisse auf anderem Weg ändern." Lincoln formulierte die wahre menschliche Verantwortung sehr klar:

Ich hoffe, daß meine Führung aller Angelegenheiten so ist, daß mir am Ende, wenn ich meine Macht niedergelegt und ich keinen Freund mehr auf der Welt habe, ein Freund übrig bleibt, und dieser Freund ganz tief in meinem Inneren sitzt.

Es geht hier um mehr als nur um Machtlust. Diese ist nur das Symptom einer echten Geisteskrankheit, die auf dem Verlust der Autonomie beruht. Da die von ihr Befallenen völlig außengelenkt sind, stets bemüht, in günstigem Licht zu erscheinen, ist diese Geisteskrankheit bisher nicht als das erkannt worden, was sie ist: Verleugnung der Realität im Namen des Realismus. Diesen "Realisten" fehlt es gewiß nicht an geistigen Fähigkeiten, aber sie können diese Fähigkeiten nicht frei einsetzen, weil sie die Grundlüge um jeden Preis aufrechterhalten und ihr Leben lang daran arbeiten müssen, dem Inneren die Existenzberechtigung abzusprechen. Deshalb sind sie, auf welche Weise auch immer, ihr Leben lang bestrebt, die innere Stimme zum Schweigen zu bringen. Es sei an den Großinquisitor in George Orwells 1984 erinnert, der die inneren Zweifel seiner Opfer nicht aushält. Nicht deren Handlungen sind sein Hauptproblem, sondern das Innere, das er in sich und in den anderen töten muß.

Dieser unerkannte Wahnsinn bedroht die Menschheit mehr denn je, denn nie war das zerstörerische Potential in den Händen der Machthungrigen so groß wie heute. Diese Art der Krankheit unterscheidet sich von der des Schizophrenen in einem entscheidenden Punkt: Der Schizophrene befindet sich in einem Kampf mit sich selbst, um mit einer unerträglichen Welt zurechtzukommen, der Wahnsinn der "Gesunden" aber ist ein Kampf, in dem andere bezwungen werden müssen, damit sie sich selbst sicher fühlen können.

Umberto Ecos Meisterwerk Der Name der Rose ist unter anderem eine Studie über den alltäglichen männlichen Wahnsinn in seinen zahllosen Facetten. Wie in der Wirklichkeit, so geschieht auch in diesem Roman alles im Namen der "Realität". William, reisender Mönch in diplomatischen Angelegenheiten, vermittelt uns eine Ahnung davon, was die männliche Macht motiviert: Um die Angst vor dem Tod zu überwinden, widmen sich all diese Männer dem Ziel, Macht zu besitzen. Eco zeigt, wie unterschiedlich die Wege sind, und das macht auch die große Spannweite und Raffinesse dieses Buches aus. Niemand – mit Ausnahme der einzigen Frau im Roman, des hübschen Bauernmädchens, das Hunger nach Leben hat – widersteht der Verführung durch Macht. Obwohl sie alle als die Diener Gottes auf Erden die Leidensbereitschaft verkünden, gehen sie den Implikationen ihrer Rolle aus dem Weg. Alle Spielarten, wie man Machtgebäude errichten kann, werden vorgeführt, aber sie haben alle dasselbe Ziel: nicht selbst leiden zu müssen.

Bernard Gui, der Hexen- und Ketzerjäger, setzt ganz unmittelbar Gewalt ein, um die Seelen anderer unter seine Kontrolle zu bringen. Jorge von Burgos, der Bibliothekar, sieht in einem Buch die Bedrohung der Autorität und läßt die sterben, die sich in dessen Besitz bringen wollen. Das Buch ist wie ein Symbol für das verleugnete Selbst, es ist die Quelle für wahre Freiheit. Die ungeheuer große Faszination dieses Romans – rund um die Welt – muß darin liegen, daß er dem männlichen Wahnsinn den Spiegel vorhält, auch wenn dies der Mehrheit der großen Leserschaft nicht bewußt sein dürfte. Es ist, als ob man von diesem Wahnsinn ein bißchen schmecken könnte, ihn miterlebte, um dann das Buch wieder beiseite zu legen in dem Gefühl, an einer schrecklichen, aber aufregenden Wirklichkeit teilgenommen zu haben.

In dem Inquisitor Bernard Gui schildert Eco die Natur eines Mannes, dem Macht über andere alles ist. Solche Männer haben nicht die Gerechtigkeit vor Augen, wenn sie Andersdenkende verfolgen und vor Gericht bringen, nicht einmal im Rahmen der Logik ihrer eigenen Ideologie. Sie suchen nur nach Opfern, um das Erscheinungsbild der "Gerechtigkeit" aufrecht zu erhalten. So interessiert sie auch nicht der wirkliche Täter, sie brauchen nur – wie Bernard Gui im Roman – irgend jemanden, den sie verurteilen und bestrafen können. Nicht die wirklich schuldige Person ist gefragt, sondern ein Ventil für Aggression und Rachegelüste. Die Rechtsgeschichte aller Gesellschaften – aber vor allem die totalitärer Staaten  – ist angefüllt mit solchen Perversionen. Bernard hindert William sogar daran, den wirklichen Mörder in der Abtei zu finden. Die Verfolgung anderer Menschen ist nur einer der Schachzüge einer umfassenderen Machtstrategie. Eco hatte ein intuitives Wissen davon, wie Machtmenschen ihre Opfer dazu bringen, mit ihnen zu kollaborieren. Ich habe in den vorhergehenden Kapiteln ausgeführt, wie es zu solcher Unterwerfung des Opfers kommt, wie das Kind durch das elterliche Versprechen auf Fürsorge zur Unterwerfung bereitgemacht wird und wie es dafür mit der Freisprechung von persönlicher Verantwortung belohnt wird.

Eco läßt Bernard alle Variationen einer solchen Mitwirkung an der eigenen Unterwerfung durchspielen: Die Opfer haben die Angst und Hoffnung zugleich, daß er ihnen die von ihm unterstellten Vergehen gnädig vergeben möge:

Zudem wußte Bernard Gui sehr genau, wie man die Angst seiner Opfer in Panik verwandelt. Er sprach nicht ..., sein Blick war dabei auf den Angeklagten gerichtet, und in diesem Blick lag eine Mischung aus geheuchelter Nachsicht (als wollte er sagen: "Fürchte dich nicht, du steht hier vor einem brüderlichen Kollegium, das gar nicht anders kann, als dein Bestes zu wollen."), aus eisiger Ironie (als wollte er sagen: "Du weißt noch nicht, was dein Bestes ist, aber ich werde es dir gleich sagen.") und aus gnadenloser Strenge (als wollte er sagen: "In jedem Falle bin ich dein einziger Richter und du gehörst mir.").

Eco läßt uns hier den Terror und die emotionale Verführung erleben, die sehr verwandt ist mit der kindlichen Situation, und zeigt, wie das Opfer erneut der Versuchung erliegt. Es wird zum Werkzeug des Peinigers, wie es als Kind das seiner Eltern gewesen war. Es lebt die Phantasie fort, daß man von der schlechten Mutter oder vom schlechten Vater gerettet wird. Diese Abhängigkeit wird zum Fluch, denn sie verhindert die Erkenntnis, daß man sich nur selbst retten kann, indem man sein wahres Selbst entdeckt.

Eco wußte auch, daß Angst der Kern der Selbstversklavung ist und daß die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, ihr die Gewalt nimmt. Deshalb muß Jorge im Namen von Christus das Buch vernichten, da in ihm vom Lachen die Rede ist und Lachen die Angst vor der Angst aufheben könnte. Jorge will diese Angst als machtvolle Waffe in der Hand haben, um die Menschheit in der Unterjochung zu halten. Niemand darf den zweiten Teil der Poetik des Aristoteles lesen – über den es nur Vermutungen gibt, den Eco aber bis zu seiner Vernichtung im Flammenmeer der Abtei existieren läßt  –, weil das Lachen den Weg hinaus weist aus dem Teufelskreis der Versklavung. Jorges Wahnsinn und die Bösartigkeit, mit der er sein Ziel verfolgt, bleiben natürlich unter dem Deckmantel der Frömmigkeit.

Von Ecos Der Name der Rose springe ich nun zum amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan, was etwas willkürlich erscheinen mag. Aber auch Reagan verkörpert die Art Führer, dem die Eroberung von Dingen zur Flucht vor dem eigenen Inneren verhilft. Darin liegt eine gewisse Ähnlichkeit zu den Figuren bei Eco. Reagan illustriert nicht nur die Allianz zwischen dem Machttypus und einer Öffentlichkeit, die verzweifelt Erlösung vom eigenen Selbst sucht, das sie nicht ertragen kann, sondern er dokumentiert auch selbst mit seiner Autobiographie Woher ich komme die Spaltung. Ihr englischer Titel gibt das Stichwort; er lautet, wörtlich übersetzt: Wo ist der Rest von mir?

In einem brillanten und provokativen Essay über Reagan und den Film kommt Michael Rogin zu dem Schluß, daß Reagan sich selbst nur erkannte, wenn er Rollen in Filmen spielte. Er belegt die These eines nur nach außen gerichteten Mannes, der so seinem Inneren zu entkommen versucht. Für Rogin brachte die Verwechslung von Film und Leben den Typus Ronald Reagan hervor, wobei er freilich als das Produkt der Umstände erscheint, über die er selbst keine Kontrolle hat. Dies halte ich aber für ungenügend, denn das Leben von Menschen wie Reagan ist vom zielstrebigen Versuch gekennzeichnet, sich alles so einzurichten, daß man sich nicht mit dem Inneren auseinanderzusetzen braucht. Sieht man Reagan nur als Opfer der Umstände, entgeht einem, daß gerade die Zurückweisung der persönlichen Verantwortung solche Führer charakterisiert. Damit würde man das ihren Handlungen innewohnende Böse entschuldigen.

Natürlich spielen psychische und soziale Determinanten eine gewisse Rolle. Aber ich habe wiederholt zu zeigen versucht, daß es auch eine Art Entscheidung gibt, wohin ein Mensch sich entwickelt. Andernfalls würden wir überdecken, daß Haß und Verachtung die Handlungen solcher Menschen leiten. Sie zu "verstehen" führt uns nur allzu schnell dazu, Mitleid mit ihnen zu haben. Solche Gefühle von Mitleid dienen aber im Grunde nur dazu, uns über die zu erheben, die uns Schaden zufügen, um dann letztlich ihren Haß und ihre Verachtung nicht mehr sehen zu müssen.

Rogin bringt ein Beispiel, das zeigt, daß Ronald Reagan nicht nur einfach von sich selbst abgeschnitten ist. Er lehnte einmal ab, eine psychiatrische Klinik zu besuchen, der er als Gouverneur von Kalifornien staatliche Gelder verweigert hatte. Der Psychiater, der ihn eingeladen hatte, führte die Ablehnung auf Reagans gegenwärtige Überarbeitung zurück. Reagan entgegnete ihm: "Wenn ich mich auf Ihre Couch lege, dann nur, um ein Schläfchen zu machen." Rogin meinte, daß dem Präsidenten das Unbewußte unzugänglich sei. Meines Erachtens war es ihm nicht einfach unzugänglich, sondern es handelt sich um eine aktive und verachtungsvolle Ablehnung. Reagan haßt das Innere und verwandelt den Haß in Hohn, wenn ihn jemand auf mögliche innere Vorgänge hinweist. Die Couch, Ort der Erforschung des Inneren, will er nur für ein Schläfchen nutzen. Die zusätzliche Pointe ist, daß Reagans Angst davor, Hilfe zu brauchen, so groß ist, daß er sich sogar gegen Hilfe wehren muß, die ihm gar nicht ausdrücklich angeboten worden ist. Denn keine inneren Probleme zu haben hält er für einen Beweis der Unabhängigkeit. Wenn wir diese aktive Verleugnung und Verachtung des Inneren mißverstehen, werden wir die in solchen Menschen ständig lauernde Aggression nicht wahrnehmen.

Menschen wie Reagan fürchten das Innere als böse, gerade dann, wenn sie dem Bösen in sich Ausdruck geben. Deshalb müssen sie sich vor sich selbst verschließen oder, wie Rogin es zeigte, sich selbst amputieren. Reagan kann sich nicht mit seinem inneren Aufruhr auseinandersetzen, deshalb projiziert er ihn nach außen. Das ist die tiefere Bedeutung des englischen Buchtitels Wo ist der Rest von mir?. Es spiegelt sich hier der Vorgang, wie ein Mensch das, was er in sich selbst haßt und fürchtet, zu etwas verselbständigt, was wie ein Feind von außen auf ihn zukommt.

Jetzt war ich zu einem Halbautomaten geworden, der eine Rolle "gestaltete", die ein anderer erdacht hatte ... Möglicherweise war das der Grund, weshalb ich mich entschloß, mich auf die Suche nach dem Rest von mir zu machen. Mein Herz hing an drei Dingen: Schauspiel, Politik und Sport ... Mit diesen drei Dingen kam ich auch außerhalb der Klostermauern des Films in der Welt zurecht.

Der Kino-Gegner war ihm nicht mehr genug: 1946 nahm er den Kampf auf gegen die Übernahme der Filmindustrie durch den Kommunismus. Nur so fand er den verlorenen Teil seiner selbst wieder. Die Gefahr, die in seinem Inneren saß, projizierte er nach außen, um sie dort als konkreten Feind besiegen zu können. Natürlich wurde dies dadurch erleichtert, daß viele Menschen wie er auf die gleiche Art und Weise den unangenehmen inneren Wahrheiten aus dem Weg zu gehen pflegen. Folgt man dieser Logik, so verwundert es auch nicht, daß Reagan voll Stolz darauf verwies, daß er als Präsident der Screen Actors Guild zu seinem "Schutz" eine Pistole getragen habe.
Hinter der Spaltung zwischen Innen und Außen versteckt sich bei solchen Menschen nicht nur die Unterwerfung unter die Mutter, sondern auch die Wut auf den Vater – nicht minder im Verborgenen wirkend –, der sie nicht geschützt hat vor den Herrschaftsansprüchen der Mutter.

Volker Elis Pilgrim wagte in seinem provozierenden Buch Muttersöhne die These, daß Männer wie Hitler, Stalin und Napoleon sehr weibliche Grundzüge hatten, aber andere Männer haßten, weil sie ihre Väter haßten. Ehe sie sich in Mörder verwandelten, seien sie "empfindsam, zart, tiefgründig, geheimnisvoll" gewesen. Pilgrims Ausgangspunkt ist zwar richtig – alle diese Männer hatten ein besonderes Verhältnis zu ihren Müttern, alle wurden sie von ihrer Mutter beherrscht  –, doch er begeht einen entscheidenden Fehler: Diese Männer waren nicht "weiblich" oder, wie er an der oben zitierten Stelle sagt, "verhinderte Mädchen". Was er irrtümlich für weiblich hält, ist nichts anderes als das, was alle Machos als weiblich bezeichnen: der Hang zum Selbstmitleid. Er läßt sich jedoch nicht aus weiblichen Merkmalen ableiten, sondern gehört eng zu der Grundlüge, daß die Unterwerfung unter die Macht nicht selbstverschuldet gewesen sei. Die Unterwerfung unter den Willen der Mutter galt der Teilhabe an ihrer Macht. Das daraus resultierende Selbstmitleid – "ich kann ja nichts dafür" – entspringt nicht den echten Gefühlen solcher Menschen, sondern dient der Vermeidung von Gefühlen. Was Pilgrim für wirkliche Sensibilität hält, ist Falschgeld. Diese "sensiblen" Männer haben nur sich selbst leid getan und wollten die Welt dazu verpflichten, sich an ihrem Selbstbetrug zu beteiligen. Das "Weibliche" an ihnen ist ein Zerrbild des Weiblichen, hervorgebracht vom Patriarchat, das weibliche Werte entstellte, um sie mißachten zu können.

Volker Elis Pilgrim zitiert Berichte, nach denen Hitler eine Neigung zum Weinen gehabt haben soll, und sieht darin unter anderem einen Beleg für seine Weiblichkeit. Was er aber nicht sieht, ist die Tatsache, daß genau dieses Weinen Mitleid erwecken und von der eigenen Schuld ablenken soll. Es ist die Art Weinen, die Kinder entwickeln, wenn sie bemerken, daß Mütter nur auf Reue, nicht auf wirkliches Traurigsein mit "Liebe" reagieren. Daß solche Kinder dann als Männer das Weibliche verhöhnen, sollte nicht verwundern. All die "Muttersöhne", die Pilgrim beschreibt, haßten ihre Mutter. Wären sie wirklich weiblich gewesen, hätten sie ihre Mutter geliebt. Dies aber war ihnen unmöglich, denn jede Unterwerfung zieht geheimen Haß nach sich, Haß auf das eigene Selbst wie Haß auf den, der einen unterworfen hat.

In gewisser Weise hat Pilgrim diesen Haß erkannt. Doch er übersieht, daß dieser Haß gerade nicht zu einer echten Mutteridentifikation führt, sondern zu einer Parodie des Weiblichen. (Und er erinnert daran, daß Napoleon, Hitler und Reagan alle Kriege führten oder planten gegen ein Ur-Symbol der Mutter: gegen "Mütterchen" Rußland.) Natürlich haben sich diese Männer zu ihrer Mutter bekannt, aber es waren Lippenbekenntnisse. Dr. Eduard Bloch, der Arzt, der 1907 Hitlers Mutter behandelt hatte, berichtete später, er habe "nie einen jungen Menschen gesehen, der vor Schmerz und Gram so namenlos unglücklich gewesen wäre, wie der junge Adolf Hitler" beim Begräbnis seiner Mutter. Doch was steckt hinter einer solchen hysterischen Ergebenheit, die wir von vielen Konformisten kennen? Pilgrim meint, Hitlers Judenhaß hätte auch damit zu tun, daß dieser jüdische Dr. Bloch seiner krebskranken Mutter nicht habe helfen können. Tatsächlich aber nahm Hitler gerade auf diesen Mann Rücksicht, verhalf ihm nach dem Anschluß Österreichs zur Ausreise und schützte ihn vor Verfolgung.

Rudolph Binions Analyse ist eher zuzustimmen als der von Pilgrim. Er zog die Aufzeichnungen dieses Arztes heran, die im Hauptarchiv der NSDAP gefunden wurden, und konnte die gespaltene Natur von Hitlers "Mutterliebe" zeigen. Hitler war zwar außerordentlich um seine sterbende Mutter besorgt, bestand jedoch auf der wirkungslosen, aber furchtbaren Jodoformbehandlung, die seine Mutter sehr quälte und ihren Tod beschleunigte. Hitler konnte die Unheilbarkeit ihrer Krankheit nicht akzeptieren, Ungewißheit konnte er nicht ertragen. "Hitlers Erlebnis der letzten Krankheit seiner Mutter ragt wie ein Schatten auf hinter seinen späteren endlosen Schmähreden gegen den jüdischen Krebs, das jüdische Gift, den jüdischen Schieber." Dies gibt einen Einblick in die tatsächliche Beziehung Hitlers zu seiner Mutter, sie bestand nicht aus Liebe, sondern aus bewußter Ungeduld und vermutlich unbewußtem Haß. Haß und Tod kennzeichnen die Beziehung zu anderen Menschen, wenn das Kind seine Autonomie gegen Macht eingetauscht hat. Im Fall Hitlers bestand seine Macht darin, welch große Bedeutung er für seine Mutter hatte – auch für ihren Tod! Diese Macht erreicht man jedoch nur um den Preis der eigenen Wahrheit, und sie führt zur – wenn auch verleugneten – Abhängigkeit. Michael Rogin sieht dies ganz klar auch bei Ronald Reagan:
Reagan verwirklichte den Traum eines jeden Amerikaners, daß man im Namen der Unabhängigkeit versorgt wird, daß man ausgehalten wird, während man die Rolle der Hauptfigur spielt.

Nicht so evident ist hier der Zusammenhang mit dem Tod. Bei Hitler ist er nicht zu übersehen, bei Reagan hat er aber nur eine andere Spielart, nämlich Reagans Besessenheit von apokalyptischen Vorstellungen. Beide – Hitler und Reagan – haben niemals Angst zugegeben. Das ist das Beängstigende: Das völlige Fehlen von Angst zeigt den großen Grad der Abspaltung von den wirklichen menschlichen Gefühlen.

Am 29. Oktober 1983 veröffentlichte die amerikanische Zeitschrift Atlanta Journal-Constitution die folgende Meldung von Associated Press, die den Bericht eines Lobbyisten nach einer Unterredung mit Reagan zitierte. Reagan soll gesagt haben:

Wissen Sie, ich wende mich wieder den Propheten des Alten Testamentes zu und erkenne die Zeichen, die von Armageddon berichten, und ich glaube fast, daß wir die Generation sind, die es erleben wird ... Ich weiß nicht, ob Sie einige Zeichen dieser Prophezeiungen jüngst bemerkt haben, aber, glauben Sie mir, sie beschreiben zweifellos genau das, was wir zur Zeit erleben.

Armageddon wird in der Offenbarung, dem letzten Buch des Neuen Testaments, als der Ort prophezeit, an dem dämonische Geister die "Könige der gesamten Erde" zum letzten Kampf vor dem Jüngsten Gericht versammeln. George W. Ball zeigte in einem Aufsatz, wie Reagan die Sowjetunion für genau die dämonischen Geister von Armageddon hält, weshalb er diesen letzten Kampf nicht zu fürchten braucht. Als Teil der Auserwählten scheint er für sich eine immerwährende himmlische Herrschaft zu erwarten. Nur wir übrigen werden im ewigen Feuer der Apokalypse verbrennen.

Letzteres sollte uns an derlei Verirrungen beunruhigen, denn sie zeugen davon, wie unberührt einer ist von menschlichen Gefühlen. Solche Besessenheit vom Tod ist nicht von Furcht begleitet. Furcht taucht nur auf im Zusammenhang mit Phantasien von nationaler Stärke: Furcht muß dem Feind eingeflößt werden. Auf diese Weise wird ernsthafte Außenpolitik durch die Zurschaustellung von "Stärke" ersetzt. Die Furcht aber zwingt den Feind, ebenfalls mit Stärke zu drohen. So kehrt das innerlich Abgespaltene von außen wieder und wird zur Weltbedrohung.

Ein unerwarteter Kronzeuge, der libysche Präsident Moamar Khadhafi, selbst Kenner der tödlichen Materie, sagte in einem Interview, das am 28. April 1986 in der italienischen Zeitung La Repubblica abgedruckt wurde, über Reagan:

Er ist alt geworden und hat Krebs. Er möchte, daß die Welt stillsteht in dem Augenblick, in dem sein eigenes Leben zu Ende ist. Warum sollte sie nach seinem Abgang noch bestehen?

Natürlich sagt das auch etwas über Khadhafi, aber es zeigt vor allem, wie unwichtig für solche Männer das Leben anderer ist. Dahinter steckt unausgesprochen die Vorstellung, daß der Tod "Leben" ist. Sich mit ihm zu beschäftigen gibt das Gefühl, lebendig zu sein.

Ich möchte zurückkommen auf die Frage, welche Beziehung diese Männer zu ihrer Mutter haben. Ihre Unterwerfung unter die Wünsche der Mutter scheint hervorgerufen zu werden durch die Unbedingtheit, mit der eine Mutter den Sohn zum einzigen Liebesobjekt macht. Im Unterschied zur Entwicklung des gewöhnlichen Konformisten, der nicht selbst nach Macht strebt, sondern sich damit begnügt, sich einer größeren Gruppe anzuschließen, nährt eine solche Mutter den Ehrgeiz und Größenwahn ihres Sohnes. Die scheinbar ungeteilte Aufmerksamkeit der Mutter zu haben und zu fühlen, wie wichtig man ihr ist und wie sehr man ihr Selbstwertgefühl steigert, ruft nicht nur ödipale Gefühle dem Vater gegenüber hervor, sondern erzeugt einen geheimen Triumph. Dies geschieht sehr oft in Form einer unterschwelligen Verachtung des Vaters, mit der die uneingestandenen negativen Gefühle der Mutter gegenüber dem Vater übernommen werden.

Hierfür liefert der frühere amerikanische Präsident Richard M. Nixon in seinen Erinnerungen reiches Anschauungsmaterial:

Mein Vater hatte ein irisches Temperament ... Er hielt harte Disziplin, und ich versuchte, dem Beispiel meiner Mutter zu folgen: ihm aus dem Wege zu gehen, wenn er schlecht gelaunt war. – Jeder, der meine Mutter jemals gekannt hatte, war von dieser bemerkenswerten Frau beeindruckt ... Obwohl sie Wärme und Liebe für ihre Familie, ja für alle Menschen ausstrahlte, behielt sie ihre Gefühle für sich ... Immer wenn ich eine schwierige Entscheidung zu treffen oder eine Rede vorzubereiten hatte oder wenn ich von der Presse angegriffen wurde, sagte meine Mutter: "... ich werde an dich denken."

Selbst wenn ihn diese Mutter ernsthaft verletzte, wollte er das nicht sehen; er beschreibt eine Szene:

Meine erste bewußte Erinnerung ist die ans Laufen. Ich war drei Jahre alt, und meine Mutter fuhr einen Pferdewagen. Sie hielt meinen kleinen Bruder Don auf dem Schoß, während ein Nachbarmädchen mich hielt. Das Pferd bog mit großer Geschwindigkeit um eine Ecke zu unserem Haus, und ich fiel zu Boden. Ich muß einen Schock gehabt haben, aber es gelang mir aufzustehen und hinter dem Wagen herzulaufen, während meine Mutter versuchte, das Pferd anzuhalten.

Ihm kam nicht in den Sinn, daß seine Mutter den Unfall verursacht hatte. Der von Nixon erzählte Vorfall mag auf den ersten Blick harmlos erscheinen, und man neigt dazu, ihn als unerheblich abzutun. Mich interessiert daran aber, warum Nixons Mutter zu schnell um die Kurve fuhr. Was auch immer bewußt in ihr vorgegangen sein mag: Sie spielte offensichtlich mit der Gefahr, was nichts anderes als das – in vielen Menschen verborgene – Wirken destruktiver Gefühle ist.

Das Fehlen eines Gefühls für Schuld und Verantwortung gehört zu den Folgen einer Mutter-Kind-Beziehung, bei der dem Kind suggeriert wird, es habe übergroße Bedeutung für die Mutter. Was immer ein solcher Sohn oder eine solche Tochter tun, nie ist es in den Augen der Mutter falsch. Auf diese Weise entwickelt das Kind nicht nur einen hemmungslosen Größenwahn, sondern auch eine gesteigerte innere Leere. Denn der Größenwahn mindert das Bewußtsein für das Wohlergehen anderer Menschen und im Zuge dessen das Erlebnis von anderer Menschen Schmerz und Freude, ohne die inneres Leben nicht existiert. Wo Kinder sich selbst verachten und hassen, weil sie sich zum Werkzeug haben machen lassen, werden sie auch ihre Mutter verachten, die gerade das an ihnen hochschätzte, was sie selbst ganz tief innen als Leere empfinden.

Diese Leere ist sehr konkret. Hitler zum Beispiel sagte, als sich 1930 die Öffentlichkeit immer mehr für seine Herkunft interessierte:

Diese Leute dürfen nicht wissen, wer ich bin.

Und wer Zeuge seiner Leere war in den dunklen Tagen im Wiener Männerheim vor dem Ersten Weltkrieg, wurde, wie Reinhold Hanisch, nach dem Einmarsch in Österreich umgebracht.

Selbstverständlich haben nicht alle mächtigen Männer besitzergreifende Mütter und unerreichbare Väter gehabt. Abraham Lincoln, Franklin D. Roosevelt oder Walther Rathenau zum Beispiel hatten ein sehr differenziertes Verhältnis zu ihrer Mutter und hatten sie als wirklichen Menschen erlebt. Walther Rathenau empfand Einschränkung seiner Unabhängigkeit als Schmerz und kämpfte dagegen mit allem, was ihm zu Gebote stand. Harry Graf Kessler erzählt in seiner Rathenau-Biographie eine solche Geschichte: Rathenaus Mutter war in die Schule gekommen, um bei einer öffentlichen Prüfung zuzuhören, und setzte sich in die erste Reihe, um den Stolz auf ihren Sohn zu zeigen. Ihr Sohn aber verweigerte während dieser Prüfung jede Antwort: Er erlaubte ihr nicht, ihn zu besitzen.

Hierin liegt der entscheidende Unterschied zu den Müttern der von politischem Machthunger getriebenen Persönlichkeiten. Diese dominieren ihre Söhne, indem sie sie zu Werkzeugen ihrer Machtträume machen, und es spielt nur eine untergeordnete Rolle, ob sie – wie Nixons Mutter – den Sohn unmittelbar zum Ehrgeiz anfeuern oder ihn – wie im Fall Hitlers – zu ihrem Retter machen. In allen diesen Fällen lieben sie ihren Sohn nicht um seiner selbst willen, sondern verwenden ihn als Werkzeug in ihrem heimlichen Kampf gegen den Ehemann. Ihr Haß gegen ihn wird zu einer fortwährenden Bedrohung des Sohnes: Er könnte wie der Vater abgelehnt werden, wenn er nicht mehr Mutters Erwartungen entspricht. Hitlers Mutter ermöglichte ihrem Sohn zweieinhalb Jahre lang ein müßiges Leben mit der Pension, die der Vater hinterlassen hatte.

Ein solches Verwöhnen entspringt nicht der mütterlichen Liebe, es zeigt nur den Grad ihrer Enttäuschung hinsichtlich ihres Ehemannes. Entsprechend oft hassen solche Frauen ihre Töchter, in denen sie ihre eigene Weiblichkeit bekämpfen.

Auf der anderen Seite wird eine Mutter, die der Vormachtstellung ihres Mannes ambivalent gegenübersteht – so akzeptiert sie vielleicht den männlichen Mythos, nicht aber ihren Ehemann  –, Elemente ihres Zweifels an den Sohn (oder die Tochter) weitergeben, und das kann sein mögliches Machtstreben abschwächen, vielleicht sogar zu einer "neurotischen" Konstellation führen, die ihn zum "Versager" macht. Solcher mütterlichen Ambivalenz kann man nicht genug danken. Diese Mütter sind nicht weiter der Transmissionsriemen männlicher Ideologie, sondern können zu ihrer wirklichen Bekämpfung beitragen.

Das Unbewußte der machthungrigen Menschen ist der Ort der erlebten Leere. Innere Leere kann man im anderen nicht erkennen, wenn man selbst leer ist. Man sieht nur das äußere Erscheinungsbild und vermeidet damit, sich der eigenen Leere stellen zu müssen. Menschen, die weniger leer sind, lassen sich nicht so leicht täuschen. Von François Mitterand, einem Politiker, der selbst viel von äußerem Aufwand hält, wird berichtet, daß er anfangs ein engeres Verhältnis zu Ronald Reagan angestrebt, aber bald davon wieder Abstand genommen und nach einer Begegnung gemeint habe: "Es ist nichts da, zu dem man eine Verbindung aufnehmen könnte!"

Wie Machtstreben zur Entschädigung für die Mitwirkung an der eigenen Erniedrigung dient, veranschaulicht ein anderer amerikanischer Präsident. Lyndon B. Johnson sagte nach seinem großen Wahlsieg 1964:

Ich habe mein ganzes Leben allen den Hintern geleckt, nun brauche ich keinen mehr zu lecken.

Johnson bekannte sich wenigstens zu diesem Selbstverrat.

Zwei Merkmale entlarven die Destruktivität der mächtigen Männer, die hinter scheinbarer Freundlichkeit und Güte steckt:

Selbstmitleid, das als Leiden ausgegeben wird. Dies gilt es an erster Stelle zu erkennen. Es ist Bestandteil der faschistischen Persönlichkeit, sollte aber nicht einer bestimmten Ideologie zugeordnet werden, denn dieser Persönlichkeitstypus findet sich überall, wo Macht ausgeübt wird, und kann sich ebenso gut demokratisch wie kommunistisch tarnen. Es sollte uns nicht so sehr die politische Ausrichtung eines Menschen interessieren, sondern wie ehrlich er mit sich selbst als menschlichem Wesen umgeht.

Die äußeren Feinde, die unermüdlich vermehrt werden. Sie sind der Indikator für die Flucht vor den inneren Phantomen und der Versuch, die latente Haßbereitschaft in der Bevölkerung, die auf der Allgegenwart des Selbstverrats beruht, zu schüren und für sich zu nutzen.

Das Ausmaß, in dem Geschichte Ausdruck des Selbstverrats ist, wird vom Ausmaß des quälenden Selbsthasses bestimmt. Das Bedürfnis weiter Bevölkerungskreise, von diesem heimtückischen Selbsthaß erlöst zu werden, verhilft – zumal in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – machthungrigen politischen Führern zum Erfolg, die ihrerseits ihrer inneren Leere zu entkommen versuchen. Sie sind dann die "Realisten", die an erster Stelle jede psychologische Erklärung für ihr Handeln ablehnen. Da Macht ihre Realität ist, haben sie der Psychologisierung der Geschichte den Krieg erklärt. Es steht auch gar nicht die Psychologie zur Diskussion, sondern es geht um das Ausweichen vor der eigenen Wahrheit. Ich habe versucht zu zeigen, daß "Realismus" der Versuch ist, ohne die Realität einer inneren moralischen Verfassung zu leben. Die Flucht vor der Wahrheit ist der Grundstein, auf dem solcher Realismus aufbaut.

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