Friedrich Nietzsche

Friedrich Wilhelm Nietzsche wurde am 15.10.1844 in Rökken bei Lützen geboren. Er stammt väterlicher- und mütterlicherseits von Pastoren ab. Er studierte von 1864-1865 klassische Philologie in Bonn und Leipzig. Mit 25 Jahren wurde er außerordentlicher Professor der klassischen Philologie in Basel. Nietzsche kam 1876 wegen eines Nerven- und Augenleidens vorübergehend und 1879 endgültig in den Ruhestand. 1889 brach seine Geisteskrankheit vollends aus, er kam in die Irrenanstalt in Basel. Er lebte seit 1897 in Weimar (in geistiger Umnachtung).

Also sprach Zarathustra
Ein Buch für alle und keinen.
Durch den "Umsturz aller Werte" sollte, so Nietzsche, ein neues Menschentum entstehen. In diesem 1883 veröffentlichten Hauptwerk wird Philosophie zur Dichtung.

Der Antichrist
Nachgelassene Schriften (August 1888-Anfang Januar 1889)
Fluch auf das Christenthum.

"Diese ewige Anklage des Christentums will ich an alle Wände schreiben, wo es nur Wände gibt – ich habe Buchstaben, um auch Blinde sehend zu machen ... Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist – ich heiße es den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit ...." (Nietzsche 1895)

Der tanzende Gott
"Vor fünf Jahren hatte ich ein wunderbares Erlebnis, worauf ich den Weg einschlug, der zum Schreiben dieses Buches führte. Eines Nachmittags im Spätsommer saß ich am Meer und sah, wie die Wellen anrollten, und fühlte den Rhythmus meines Atems, als ich mir plötzlich meiner Umgebung als Teil eines gigantischen kosmischen Tanzes bewußt wurde. Als Physiker wußte ich, daß der Sand und die Felsen, das Wasser und die Luft um mich her sich aus vibrierenden Molekülen und Atomen zusammensetzen. Diese wiederum bestehen aus Teilchen, die durch Erzeugung und Zerstörung anderer Teilchen miteinander reagieren. Ich wußte auch, daß unsere Atmosphäre ständig durch Ströme kosmischer Strahlen bombardiert wird, Teilchen von hoher Energie, die beim Durchdringen der Luft vielfache Zusammenstöße erleiden. All dies war mir von meiner Forschungstätigkeit in Hochenergie-Physik vertraut, aber bis zu diesem Augenblick beschränkte sich meine Erfahrung auf graphische Darstellungen, Diagramme und mathematische Theorien. Als ich an diesem Strand saß, gewannen meine früheren Experimente Leben. Ich 'sah' förmlich, wie aus dem Weltraum Energie in Kaskaden herabkam und ihre Teilchen rhythmisch erzeugt und zerstört wurden. Ich 'sah' die Atome der Elemente und die meines Körpers als Teil dieses kosmischen Energie-Tanzes; ich fühlte seinen Rhythmus und 'hörte' seinen Klang, und in diesem Augenblick wußte ich, daß dies der Tanz Shivas war; des Gottes der Tänzer; den die Hindus verehren."
(Aus: "Das Tao der Physik" von F. Capra, S.7)

Der Wille zur Macht
Oder: Die Kraft, durch die Zukunft die Gegenwart zu gestalten.
Unter dem Titel "Der Wille zur Macht", den Nietzsche für das geplante, aber unvollendet gebliebene Hauptwerk seiner letzten Schaffensperiode vorgesehen hat, versammelt dieser Band Aufzeichnungen Nietzsches aus den Jahren 1883-1888. Sie enthalten die grundlegenden Ergebnisse nietzscheanischen Denkens zur Heraufkunft des europäischen Nihilismus, zur geistigen Lage seiner Zeit, zur Moral- und Religionskritik und zum Entwurf einer neuen Wertsetzung.
Die von Elisabeth Förster-Nietzsche und Peter Gast vorgenommene Anordnung der Fragmente wurde in dieser Ausgabe als historisches Dokument beibehalten; auf der Ebene der Sätze und Einzelstellen wurde im Vergleich mit der Colli/Montinari-Ausgabe ein kritischer Text hergestellt.
Wer glaubt, hier ein echtes Nietzsche-Buch oder sogar sein "Hauptwerk" zu haben, der irrt sich. Es handelt sich hierbei um Aphorismen aus den Jahren 1886 bis 1888, welche von Nietzsche-Schwester Elisabeth und seinem ehemaligen Jünger Peter Gast zusammengestellt und 1901 herausgegeben wurden. Es sind vielfach verfälschte Aphorismen, deren Zusammenstellung aus Nietzsche, dem Anti-Nationalisten, Philosemiten, und Anti-Biologisten einen Nationalisten, Kriegstreiber und Rassisten machen. Die beiden Herausgeber versuchten Nietzsche an den damals herrschenden Zeitgeist anzupassen und ihn hoffähig für die Mächtigen zu machen, die er so leidenschaftlich bekämpfte. Dieses Buch, und NUR DIESES Buch machte ihn auch für viele Nazis missbrauchbar. Deshalb: Vorsicht bei diesem Buch, es ist kein Nietzsche-Buch, erst recht nicht sein "Hauptwerk". Ein Hauptwerk hat Nietzsche nicht hinterlassen, man muss sich wohl mit viel Zeit seinem Gesamtwerk widmen, um seine Wendungen und Entwicklungen vollständig mitzubekommen.

Die fröhliche Wissenschaft
Dem Dichter und Weisen sind alle Dinge befreundet und geweiht,
alle Erlebnisse nützlich. alle Tage heilig, alle Menschen göttlich.
(Emerson, Motto der Ausgabe 1882)
Klappentext: "Diesem Buche tut vielleicht nur eine Vorrede not; und zuletzt bliebe immer noch der Zweifel bestehn, ob jemand, ohne etwas Ähnliches erlebt zu haben, dem Erlebnisse dieses Buch Buches durch Vorreden nähergebracht werden kann."
Nietzsche hat in "Die fröhliche Wissenschaft" zum einen Wissenschaft von ihrer moralischen Natur her kritisiert und darauf hingewiesen. Nietzsche gibt damit den Anstoss für die Klassiker der Wissenschaftskritik wie z.B. Foucault. Ferner stellt Nietzsche hier auch die Frage nach dem Kerngehalt und dem Wert von Wissenschaft überhaupt, und das nicht in der Sprache des Wissenschaftlers. Darüber hinaus ist die Lektüre auch noch wegen der unerhörten Sprachgewalt, die Nietzsche zu einem Meilenstein der Deutschen Sprache gemacht hat, zu empfehlen. Aber: "Vorsicht: Gift! - Wer hier nicht lachen kann, soll hier nicht lesen! Denn, lacht er nicht, packt ihn 'das böse Wesen'."

Ecce Homo
Wie man wird, was man ist.
Dieses Buch ist ein Rückblick auf Nietzsches Leben. Kapitelüberschriften wie "Warum ich so glücklich bin", "Warum ich so klug bin"
, "Warum ich so gute Bücher schreibe" charakterisieren den euphorischen Tenor dieses Buches.
Ecce Homo ist eine Abrechnung mit seiner Mutter und Schwester, mit Wagner und all den Menschen, die sein Leben begleitet haben.
Liest man eine Biographie über Nietzsche, dann erkennt man, daß die Veröffentlichung von "Ecce Homo" in seine späte Zeit fällt, in der schon alle Enttäuschungen des Lebens ihn geprägt hatten (der Bruch mit Wagner, den er so sehr verehrt hatte, in der gemeinsamen Liebe zu Schopenhauer und in der mystischen Musik, die gescheiterte Liebe zu Lou Salome, was auch seine Schwester mitzuverschulden hatte, auf die Nietzsche aber zeitlebens angewiesen war). Ein zerrissenes Leben hat Nietzsche hinter sich, als er dieses Dokument verfaßt, überdies geprägt von immer weiter zunehmenden Kopfschmerzen und Organkrankheiten.
Liest man den Ecce Homo als ein Dokument über Nietzsches Enttäuschung, vielleicht sogar im Rahmen einer Biographie, oder parallel zu einer Biographie über Nietzsche (und hier empfehle ich Fischer-Dieskaus herrliches Werk) dann wird Ecce Homo zu einem wertvollen historischen Dokument. Anders aber ist es nur eine bissige Abrechnung mit dem Leben und der Welt.
Insofern also, wenn man sein Bild vo Nietzsche vervollkommnen will, ein interessantes Dokument, sonst aber sehr negativ und keinesfalls eine allgemein nützliche oder allgemein lebenstaugliche philosophische Abhandlung.

Götzendämmerung
Oder: wie man mit dem Hammer philosophiert.
In diesem kleinen, aber wichtigen Buch hat Nietzsche es so beeindruckend wie kaum ein anderen Philosoph geschafft, seine Gedanken auf ihre Essenz zu reduzieren. Das Buch bietet eine tiefgehende und treffende Synopsis eines guten Teiles Nietzsches Philosophie in Form von unuebertroffen scharfsinnigen und sehr zugaenglichen Aphorismen und Gleichnissen. Sollte Pflicht sein als Begleitlektuere zu Zarathustra!
Der Untertitel des Buches lautet: "Oder: Wie man mit dem Hammer philosophiert." Genau das ist es, was Nietzsche stets und immer tut: Er ist kein Freund leichter Worte; immer fällt sein Urteil schwer wie ein Hammer, und nie kommt ihm auch nur der geringste Hauch eines Zweifels in den Sinn. Gerade auch seine Zeitgenossen, auch die angesehensten unter ihnen wie Wagner und Schopenhauer, kommen nicht gerade gut bei ihm weg; alles fällt seiner "Umwertung aller Werte" zum Opfer. Es ist auch kein Wunder, dass er sich posthum vor manchen politischen Karren spannen lassen musste, denn oft genug spricht er von dem Recht des Stärkeren und von guten und schlechten (Menschen-)Rassen.
Nietzsche selbst war sich durchaus bewußt, wie wenig populär seine Ausführungen gewesen sein mussten, denn ein Teil dieses Buches nennt sich "Streifzüge eines Unzeitgemäßen". Ob Nietzsche nach dem Dritten Reich jemals wieder voll und ganz zeitgemäß werden wird, muss die Zukunft zeigen. Jedenfalls sollte man ruhig einmal diesem unbequemen Denker in seine Gedankenwelt folgen, möglicherweise lohnt es sich.

Jenseits von Gut und Böse
Vorspiel einer Philosophie der Zukunft
Nietzsche hat in seinem Leben drei Phasen durchlaufen, die sich eindeutig ueberschreiben lassen: Die Phase des Mystikers, in der Nietzsche Schopenhauer verehrte und Wagner; dann die Phase des sachlichen Naturwissenschaftlers, des Reduktionisten, dessen, der sich nur noch auf das beruft, was Wissenschaft ihm beweisen kann und der alles verwirft, das nicht durch Wissenschaft greifbar ist; und schliesslich die Phase des Uebermenschen, in die wir den Zarathustra als sein bekanntestes Werk einordnen koennen, eine Phase, in der Nietzsche nur noch das von Bedeutung ist, was aus dem eigenen Innern erwaechst: jeder wird zum eigenen Moralmassstab.
"Jenseits von Gut und Boese" stammt aus Nietzsches zweiter Phase und ist somit, wie ich finde, wie alle Werke Nietzsches, mehr in der historischen und persoenlichen Entwicklung der Gedanken zu wuerdigen als in der Absolutheit der erreichten Formulierungen. Es geht in diesem Buch darum, dass weder Gut noch Boese existieren, dass dies bloss vom Menschen geschaffene Begriffe sind. Nietzsche versucht ferner aufzuweisen, dass nicht nur Gut und Boese relativ sind, sondern grundsaetzlich Moral abhaengig von der definierenden Basis.
Es gibt in diesem Buch viele Kapitel, viele seitenlange Abhandlungen. Ob man also das ganze Buch lesen muss, moechte ich offenlassen, dass man es aber zu Teilen durchaus lesen kann, auch um Nietzsches zweite Entwicklungsphase noch einmal nachzuvollziehen, dazu kann ich nur raten, und in diesem Sinne ist dieses Werk Nietzsches empfehlenswert.

Menschliches Allzumenschliches
Ein Buch für freie Geister
Im Jahr 1876 beginnt der kranke Friedrich Nietzsche während eines Kuraufenthalts in Sorrent mit den Aufzeichnungen zum ersten Teil seiner Schrift "Menschliches, Allzumenschliches" (1878-1886), die vor allem dem Gedanken verpflichtet ist, daß alle vermeintlichen Wahrheiten menschlicher Moral, Religion oder Kultur "vielleicht im letzten Grunde falsch" sein könnten. Diese erschreckende Erkenntnis – "meine einzige Beschäftigung außer meinen ewigen Schmerzen" – erscheint Nietzsche selbst als Qual. Denn auch "dies einzusehen kann tiefe Schmerzen machen", heißt es in "Menschliches, Allzumenschliches". "Aber danach gibt es einen Trost: solche Schmerzen sind Geburtswehen. In Menschen, welche jener Traurigkeit 'fähig' sind, wird der erste Versuch gemacht, ob die Menschheit aus einer 'moralischen' sich in eine 'weise Menschheit umwandeln könne'".
So gipfelt Menschliches, Allzumenschliches, das nun in einer Neuauflage als zweiter Band der verdienstvollen Kritischen Studienausgabe Giorgio Collis und Mazzino Montinaris vorliegt, letztendlich in der Idee, daß eine "Umwertung aller Werte" nicht nur möglich, sondern auch dringend vonnöten sei. Nietzsche hat diese Forderung nach existentieller Autonomie auch sprachlich experimentell umzusetzen versucht: Deshalb ist Menschliches, Allzumenschliches das erste Werk des Philosophen, in dem er sein offenes, aphoristisches Verfahren konsequent zu Ende denkt. Nicht nur ein Buch für freie Geister also, wie es im Untertitel heißt, sondern auch das Buch eines freien Geistes, das mit der Parabel "Die Gefangenen" nicht zuletzt eine viel schönere Variante der berühmten Erzählung "Der tolle Mensch" mit ihrem Ausruf "Gott ist tot!" aus der
Fröhlichen Wissenschaft (1881/1882) enthält.
In Menschliches, Allzumenschliches ersehnte sich Friedrich Nietzsche am gottlosen Firmament "die Sonne eines neuen Evangeliums". Auch wenn die Hoffnung trügerisch gewesen ist: Das blendende Evangelium zum neuen Gestirn zumindest hat er mit seinem Buch selbst geschrieben.

Morgenröthe
In diesem Buche findet man einen "Unterirdischen" an der Arbeit, einen Bohrenden, Grabenden, Untergrabenden. Man sieht ihn, vorausgesetzt, dass man Augen für solche Arbeit der Tiefe hat -, wie er langsam, besonnen, mit sanfter Unerbittlichkeit vorwärts kommt, ohne dass die Noth sich allzusehr verriethe, welche jede lange Entbehrung von Licht und Luft mit sich bringt; man könnte ihn selbst bei seiner dunklen Arbeit zufrieden nennen. Scheint es nicht, dass irgend ein Glaube ihn führt, ein Trost entschädigt? Dass er vielleicht seine eigne lange Finsterniss haben will, sein Unverständliches, Verborgenes, Räthselhaftes, weil er weiss, was er auch haben wird: seinen eignen Morgen, seine eigne Erlösung, seine eigne Morgenröthe? ... Gewiss, er wird zurückkehren: fragt ihn nicht, was er da unten will, er wird es euch selbst schon sagen, dieser scheinbare Trophonios und Unterirdische, wenn er erst wieder "Mensch geworden" ist. Man verlernt gründlich das Schweigen, wenn man so lange, wie er, Maulwurf war, allein war.

Religion der Religionen
Wenn wir sagen, daß der von Nietzsche diagnostizierte Nihilismus heute unter dem Begriff der Postmoderne bereits Wirklichkeit geworden ist, muß sich zwangsläufig die Frage nach seiner Überwindung stellen. Daß der Nihilismus überwunden werden muß, steht dabei außer Frage, denn er hemmt die Höherentwicklung der Menschheit und ebnet der Mittelmäßigkeit den Weg. Außerdem wächst im Schoß der postmodernen Gesellschaft ein großes Zerstörungspotential heran, eine Art "destruktiver Gesamtcharakter", der aus der Ziel- und Inhaltlosigkeit unserer Zeit resultiert.

Wie man wird, was man ist
Ermutigng zum kritischen Denken
Lauter Zitate, die durchaus lesenswert sind. Es lohnt sich darüber zu reflektieren. Um Nietzsche richtig kennenzulernen rate ich allerdings seinen Werken wie "Zur Generalogie der Moral" oder Zarathustra. Dieses Kompendium an durchaus für sich sprechenden Zitaten F. Nietzsches kann dennoch als guter Einstieg in dessen Gesamtwerk gesehen werden; wer tiefer und genauer im zugehörigen Kontext gräbt, wird sich der Eindimensionalität des Buches schnell bewußt.

Zur Genealogie der Moral
Eine Streitschrift. Dem letztveröffentlichten "Jenseits von Gut und Böse"
zur Ergänzung und Verdeutlichung beigegeben.

Die Genealogie zur Moral ist, abgesehen von Nietzsches Debut-Werken, das einzige Buch in welchem seine Aphorismen gegliedert und geordnet geschrieben sind. Ob Gilles Deleuze recht hat, indem er sagt, daß dieses Buch eine Antwort auf Kants "Kritik der reinen Vernunft" sei, das mag dahingestellt sein, doch scheint mir dieses Buch der bestmöglichste selbstständige Einstieg in Nietzsches Denken zu sein.

Über Wahrheit und Lüge
An sich ist ja der wache Mensch nur durch das starre und regelmäßige Begriffsgespinnst darüber im Klaren, daß er Wache ...
In irgend einem abgelegenen Winkel des in zahllosen Sonnensystemen flimmernd ausgegossenen Weltalls gab es einmal ein Gestirn, auf dem kluge Tiere das Erkennen erfanden. Es war die hochmütigste und verlogenste Minute der "Weltgeschichte" aber doch nur eine Minute. Nach wenigen Atemzügen der Natur erstarrte das Gestirn, und die klugen Tiere mußten sterben.

Unzeitgemäße Betrachtungen
Unter dem Haupttitel Unzeitgemäße Betrachtungen veröffentlichte Friedrich Nietzsche in den Jahren 1873-76 vier Streitschriften, mit denen er unmittelbar gegen den Niedergang der deutschen Kultur wirken wollte. Sie fiel für ihn auseinander in ein verinnerlichtes, enzyklopädisches Bildungswissen ("Gebildetheit") und ein dieser Innerlichkeit nicht entsprechendes Handeln. Aus dem Bildungswissen wird kein "Bildungs-Entschluß", die "Tat nach außen" bleibt unberührt von dem angesammelten Wissen über vergangene Kulturgüter. Die mangelnde Übereinstimmung von Bildung und Tat führt nach Nietzsche zu einer folgenreichen "Schwächung der Persönlichkeit". Als Gegenstand seiner Darstellung wählte er Gestalten, die in seinen Augen einen bestimmten Typus niedergehender (D. F. Strauß in David Strauß, der Bekenner und der Schriftsteller) oder zukünftiger (Schopenhauer in Schopenhauer als Erzieher, Wagner in Richard Wagner in Bayreuth) deutscher Kultur vertraten, und eine für das Auseinanderklaffen von Erkennen und Handeln charakteristische Denkweise: die Geschichtswissenschaft seiner Zeit (vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben)
Diese Texte zeugen von einer verstörenden Hellsichtigkeit, einer stupenden Realitätserfassung, einer spektakulären Umsicht. Die Philister z.B. werden einer polemischen Demontage unterzogen bis in ihre Sprache hinein. Danach geht es um die Historie und deren Nutzen. Hier ist die Polemik verschwunden und wird gegen ein differenziertes, abwägendes, aber radikales Bohren ersetzt. Nietzsche in diesen Windungen zu folgen ist gelegentlich anspruchsvoll, aber immer witzig, erhellend und nicht selten erschlagend klar.
Nietzsches Genie zeigt sich bis in seine Sprache. Sie trägt sehr zum Amüsement bei. Kaum jemand kann ihm diesbezüglich Paroli bieten, am ehesten vielleicht noch Elias Canetti. Nietzsche war ohne Zweifel ein Titan und er hat etwas aus seinen singulären Fähigkeiten gemacht, effizient und zielstrebig, trotz der turbulenten Vita. Wir profitieren davon. Wir sollten uns glücklich schätzen. Ein Nietzsche, ein Popper, ein Norbert Elias wird nicht täglich geboren.
"Betrachte die Herde, die an dir vorüberweidet: sie weiß nicht, was Gestern, was Heute ist, springt umher, frisst, ruht, verdaut, springt wieder, und so vom Morgen bis zu Nacht und von Tag zu Tage, kurz angebunden mit ihrer Lust und Unlust, nämlich an den Pflock des Augenblicks, und deshalb weder schwermütig noch überdrüssig. Dies zu sehen geht dem Menschen hart ein, weil er seines Menschentums sich vor dem Tiere brüstet und doch nach seinem Glücke eifersüchtig hinblickt; - denn das will er allein, gleich dem Tiere weder überdrüssig noch unter Schmerzen leben, und will es doch vergebens, weil er es nicht will wie das Tier. Der Mensch fragt wohl einmal das Tier: warum redest du mir nicht von deinem Glücke und siehst micht nur an? Das Tier will auch antworten und sagen, das kommt daher, dass ich immer gleich vergesse, was ich sagen wollte, – da vergaß es aber auch schon diese Antwort und schwieg: so dass der Mensch sich darob wunderte."
Was gibt es schöneres als solch ein bebilderter Erzählstil? Nietzsche zeigt einmal mehr der Menschheit, was sie wirklich ist: eine dahinsiechende Meute Geistloser oder, um mit Heidegger zu sprechen: ein Man.