Auszüge aus Vance Packard's
"Die heimlichen Verführer"

Der Griff nach dem Unbewußten in Jedermann

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Vorwort von Michael Schirner

Kaum ein Buch steht so für den Geist einer Epoche, und kaum eines hat so nachdrücklich Vorstellungen über Werbung beeinflußt wie Vance Packards Die geheimen Verführer.

In gewisser Hinsicht stellte sich das Buch selbst als Verführer heraus: Unterschwellig trieb es Millionen Menschen in die Arme einer ganz bestimmten Sorte von Sozialpsychologie, die noch in den simpelsten Kommunikationsvorgängen geheime, unterschwellige Komponenten witterte. Daß Werbung nicht einfach nur alle Kenntnisse, die ihr zugänglich sind, nutzt, um ihren Job zu tun, sondern zusätzlich schwer durchschaubare Strategien, bestimmte für eine ganze Epoche das, was der Common sense zur Werbung zu denken hatte. Das war für die Werbung aber nicht schlecht, es spornte sie an, ihrem ungünstigen Image entgegenzutreten. Vor allem in den Siebzigern setzten sich mehr und mehr Werber durch, die versuchten, ihre eigenen Kommunikationstricks offenzulegen und analog zur Konzeptkunst zu vermitteln, was in einer Anzeige gerade passiert, oder zumindest doch klarzustellen: Ich bin eine Anzeige, es gibt mich, weil ich über dieses und jenes Produkt reden soll, natürlich zugunsten des Produktes, oder was habt ihr gedacht? In den Achtzigern hat sich – nicht zuletzt dank dieser Perestroika-Periode der Werbung – das öffentliche Bild von der Werbung völlig gewandelt. Wie Werbung entsteht, war entmystifiziert, und das Berufsbild des Kommunikationsexperten galt plötzlich als enorm attraktiv und kulturell hochstehend.

Meine These, daß Werbung die zeitgenössische Entsprechung der Auftragskunst sei, steht nicht in Konflikt mit Packard: Denn für Auftragskunst genauso wie für Werbung gilt natürlich, daß sie die instinktiven ebenso wie die bewußten Kenntnisse über die Seele des Menschen einsetzen. Nur ist an diesen Kenntnissen nichts geheimnisvoll, und verführen läßt man sich heute gern, vor allem, wenn die Verführung gut gemacht ist. Profis können über die Verführungsthese eh nur seufzen: Schön wär’s manchmal, wenn mehr Irrationalismen vorkämen in unserem Geschäft, das doch meist äußerst berechenbar abläuft. Dennoch ist von Packards Theorien vieles noch im allgemeinen Bild, das die Leute von der Werbung haben, aufgehoben. Wir haben daher in unserer Agentur seine berühmteste These – die von der unterschwelligen Werbung – versucht zu parodieren:

Zimbo, die mittlerweile, dank unserer Kampagne, bekannte Fleisch- und Wurstwarenfirma, beauftragte uns mit einer Weiterentwicklung der Kampagne. Der Bekanntheitsgrad hatte sich zwar erhöht, war aber immer noch nicht hoch genug, außerdem wußte kaum einer, was für leckere Sachen Zimbo anbietet. Weil es aber enorm schwer ist, Fleisch- und Wurstwaren so abzubilden, daß sie einerseits schön, andererseits signifikant anders als die Produkte der Mitbewerber aussehen, erinnerten wir uns an die alte Volksmeinung von der magischen Macht der Werbung. Wir entschlossen uns zu Filmen: Gängige Klischees von "schön" und "beruhigend hypnotisch" wie Meeresbrandung, eine brennende Kerze, Wolken oder Sonnenuntergänge, flimmern statisch und suggestiv über den Bildschirm.

Dazu hört man die beruhigende Stimme des Sprechers, der dem Publikum ankündigt, daß es gleich "unterschwellige Werbung" zu sehen bekommen werde. "Noch 5 Sekunden, noch 3 Sekunden, jetzt!". Dann zeigen wir für 1/25 Sekunde ein Zimbo-Produkt. Manchmal gibt es auch noch einen kleinen Witz. Statt einer Wurst sieht man ein nacktes Mädchen: "Oh, das war das falsche Bild ...". Wir machen so nicht nur Werbung über Werbung bzw. über einen weitverbreiteten Mythos. Indem wir den Mythos persiflieren, machen wir ihn uns zunutze. Wir zeigen, wie suggestive Werbung aussehen würde, wenn es sie gäbe. Und da noch nie jemand so was gesehen hat, wird jedem klar, daß die geheime Verführung ein Mythos ist. Auf der anderen Seite lösen wir für uns ein Problem, daß eigentlich nur lösbar ist, wenn es geheime Verführung gäbe: Wir machen aus einem guten Produkt, das unter seinem alltäglichen Aussehen leidet, ein auratisches Produkt: Es wird Kronzeuge der sich in der Auflösung noch einmal besonders heftig entfaltenden auratischen Kraft. So wie ein Luftballon ganz besonders schnell wird, wenn man ihn mit einer Stecknadel durchbohrt. Der Unterschied ist nur, daß im Luftballon wirklich Luft ist, in der Zimbo-Wurst jedoch Fleisch von allererster Qualität.

Packards Buch ist heute noch wichtig, nicht nur, weil die Vorstellung von Werbung als einer völlig unbelasteten Kulturtechnik – als das Gegenteil von Packards Hypothese – heute auch ein wenig zu unwidersprochen dasteht. Es ist spannend erzählt und gewährt – wenn man die typisch amerikanische verschwörungstheoretische Grundstimmung abzieht – fundierte Einblicke in Entstehen und Wirkungsweise von Werbung

Sicherheitsgefühl verkaufen

Die Werbeagentur Weiss & Geller mißtraute den üblichen Gründen, welche die Leute für den Kauf von Haushaltsgefriertruhen angaben. In vielen Fällen stellte man fest, daß diese Froster – rechnete man die Anschaffungskosten, die zusätzlichen Summen auf der monatlichen Stromrechnung und den Betrag für die schließlich doch weggeworfenen Überbleibsel zusammen – wirtschaftlich sinnlos waren. Alles in allem genommen erwiesen sich die Eßwaren aus dem Froster tatsächlich als oft recht kostspielig. Nachdem ihre Neugier einmal geweckt war, machte die Agentur eine psychiatrische Leituntersuchung. Die Psychologen fanden es bezeichnend, daß die Haushaltsgefriertruhe in breiten Kreisen nach dem Zweiten Weltkrieg beliebt wurde, als viele Familien nicht allein der Ungewißheit der Ernährung, sondern so ziemlich aller Dinge wegen voll innerer Angst lebten. Diese Menschen gedachten gern der früheren Zeiten voll Sicherheit und Geborgenheit, was sie unterbewußt in ihre Kindheit zurückversetzte, wo es die Mutter gab, die sie niemals enttäuschte, und wo Liebe eng mit Nahrung spenden verknüpft war. Die Forscher schlußfolgerten: "Für viele verkörpert der Froster die Gewähr, daß immer Nahrung im Hause ist, und Nahrung im Haus bedeutet Sicherheit, Wärme und Geborgenheit." Leute, die sich unsicher fühlen, brauchen immer mehr Lebensmittel im Hause, als sie essen können, stellte man fest. Die Werbeagentur entschied, die Tiefkühltruhenhersteller sollten bei der Werbung diesen "Eichhörnchen-Faktor" mit in die Rechnung einbeziehen.

Die gleiche Agentur entdeckte, daß die Klimaanalge einen verborgenen Sicherheitswert anderer Art hat, den man ausnutzen kann. Die Befrager fanden heraus, daß manche Leute das Bedürfnis haben, sich geschützt und umhegt zu fühlen und während der Nachtruhe die Fenster geschlossen zu halten, damit nichts "Bedrohendes" herein kann. Solche Leute sehnen sich, wie es scheint, unterbewußt nach einer Rückkehr in die Geborgenheit des Mutterleibes.

Während diese Typen einen leicht zugänglichen Markt für Klimaanlagen darstellen (der Jahresumsatz an Klimaanlagen liegt zur Zeit bei etwa fünfhundert Millionen Dollar), gibt ein anderer Typ dem Klimaanlagen-Verkäufer eine harte Nuß zu knacken. Die Rechercheure der Agentur entdeckten, daß viele von uns eine latente Klaustrophobie, eine heimliche Angst vor dem Aufenthalt in geschlossenen Räumen haben. Für solche Menschen ist die Klimaanlage keineswegs ein Symbol der Sicherheit, sie wird vielmehr zur Bedrohung. Ihre versiegelte Welt erweckt in uns das Gefühl des Eingeschlossenseins. Die Agentur schlußfolgerte, es müsse ein Weg gefunden werden, solchen Leuten das offene Fenster zu lassen und sie dennoch zum Kauf von Klimaanlagen zu überreden; wie man das fertigbringe, sagte sie allerdings nicht. (Ein anderer Werbefachmann belehrte uns, daß nichtsdestoweniger viele Menschen beim Einbauen der Klimaanlage ein Schuldgefühl haben, weil "Gott das schlechte Wetter macht, darum finde dich damit ab". Er sagte: "Diese Einstellung findet man in Amerika noch erstaunlich häufig.") Dr. Dichter wies die Marketer für Bastelwerkzeug und -zubehör darauf hin, daß sie einen Fehler begingen, wenn sie den Männern nur Zubehör und nicht auch Sicherheit verkauften. Er meinte: Der auf sein Werkzeug oder seine Geräte sich konzentrierende Mann lebt in einer abgeschlossenen Welt. Er ist frei von den Spannungen zwischenmenschlicher Beziehungen. Er ist in einem friedlichen Zwiegespräch mit sich selber begriffen."

Mitte 1956 war auf einer Kindermöbelschau eine Kombination von Kinderstuhl, Badewanne und Töpfchen ausgestellt. Der Leiter der Firma erklärte, dieses Möbel sei darauf berechnet, dem Kind ein "Heim" und ein "Gefühl der Sicherheit" zu geben, und fügte hinzu: "Die Dinge treiben auf den Punkt zu, wo die Hersteller mehr und mehr Psychologen sein müssen."

Wertbestätigung verkaufen

Mitte der fünfziger Jahre führte The Chicago Tribune eine tiefenpsychologische Untersuchung des Waschmittel- und Seifenmarktes durch, um ausfindig zu machen, warum diese Produkte verabsäumt hatten, wie viele andere Erzeugnisse eine Markentreue aufzubauen. Die Hausfrauen pflegten von einer Marke zur anderen zu wechseln. Tribune hielt das für bedauerlich und folgerte, die Seifen- und Waschmittelhersteller trügen offensichtlich selber Schuld daran. Ihre Werbung sei altmodisch gewesen. "Die meiste Werbung zeigt praktisch den Mangel an Erkenntnis, daß die Frauen beim Gebrauch dieser Erzeugnisse irgendein anderes Motiv bewegt als sauber zu sein, Hände zu schonen oder Gegenstände sauber zu halten." Dem tiefenpsychologisch bewanderten Seifenhersteller, mahnte der Bericht, wird klar sein, daß viele Hausfrauen das Gefühl haben, mit der Wäsche eine Plackerei am Halse zu haben, die weder anerkannt noch belohnt wird. Der Werbungtreibende sollte daher das Gefühl der Frauen für "Wert und Schätzung" heben und pflegen. Seine "Werbung sollte die Rolle des Haushaltens preisen – nicht aufdringlich und plump oder durch befremdliches direktes Lob, sondern auf vielerlei Umwegen klarmachen, was für eine wichtige und stolze Sache es ist oder sein müßte, Hausfrau zu sein und eine oft als Plackerei angesehene Aufgabe zu erfüllen".

In seinem Buch über Motivforschung weist Dr. Smith darauf hin, daß Kofferfabrikanten ihre Umsätze steigern können, wenn sie das Publikum daran erinnern, daß sie eine Art Wertbestätigung verkaufen. "Hübsches neues Gepäck", belehrt er, "verleiht dem Menschen das Gefühl eigener Wichtigkeit und mehr Ansehen, wenn er in die Welt hinausfährt.

Gelegentlich bedarf sogar der allwissende Doktor sehr der Bestätigung, und Dr. Dichter zufolge wird eine kluge pharmazeutische Firma ihm dieses Gefühl verkaufen, was ihr die Dankbarkeit des Arztes eintragen wird. Zumindest kann sie, wenn ein Rezept auszuschreiben ist, auf eine allgemeine Empfehlung ihrer Präparate rechnen. Dr. Dichter unterzog 204 Doktoren einer tiefenpsychologischen Untersuchung, um den Inserenten der Arzneimittelbranche aufzuzeigen, wie sie "die Rezeptmotivation der Ärzte" wirksamer beeinflussen können. Die pharmazeutischen Firmen müßten begreifen, daß der Arzt sich durch die Häufung fabrikmäßig zusammengestellter, fertig gemischter Medikamente ein wenig bedroht fühle. Die befragten Ärzte bekundeten tiefen Verdruß über die Werbung der Arzneimittelhersteller, welche den Arzt eher in die Position eines Pillenverschreibers verweise, statt ihn vor allem als Diagnostiker und Heiler herauszustellen. Nach Dr. Dichter, wird die kluge pharmazeutische Firma nicht einen so großen Teil des Heilerfolgs für sich beanspruchen oder über den Arzt hinweg sich an das Publikum wenden. Statt dessen wird sie danach trachten, die Vorstellung des Arztes von sich selbst als dem "allmächtigen Heiler" zu untermauern und bei der Werbung eher den Doktor in den Vordergrund schieben, als "die medizinischen Eigenschaften der Arznei" überzubetonen.

Ego-Befriedigung verkaufen

Das ist in gewisser Hinsicht dem Verkaufen von Wertbestätigung verwandt. Ein Fabrikant von dampfbetriebenen Schaufelbaggern stellte fest, daß es mit dem Absatz haperte. In seinen Inseraten hatte er herrliche Fotos seiner Mammutmaschinen gebracht, wie sie große Lasten Fels und Sand emporhoben. Eine Motivuntersuchung von möglichen Abnehmern sollte erweisen, was eigentlich verkehrt war. Als erstes zeigte sich, daß die mit dem Kauf solcher Maschinen beauftragten Einkäufer stark von den Meinungen und Empfehlungen ihrer Baggerführer beeinflußt waren, und die Baggerführer bewiesen beträchtliche Abneigung gegen das Fabrikat dieser Firma. Als man bei den Baggerführern sondierte, fanden die Befrager auch alsbald den Grund. Die Baggerführer waren verdrossen über die Bildanzeigen, wo der ganze Ruhm der gewaltigen Maschine zufiel und der Baggerführer nichts weiter als eine kaum erkennbare Figur im Führerstand war. Um diese Einsicht bereichert, wandelte der Baggerfabrikant seine Werbung ab und schoß seine Fotos nun über die Schulter des Baggerführers, so daß sie ihn als den Herrn und Meister der Mammutmaschine zeigen. Diese neue Form "besänftigt die Abneigung der Baggerführer", wie die Zeitschrift Tide berichtete. Eines der besten Beispiele für das Verkaufen von Ego-Befriedigung bietet die "Eitelkeitspresse", welche vollständig vom Autor finanzierte Bücher herausbringt. Anfangs der fünfziger Jahre gehörten zehn Prozent aller in Amerika erschienenen Bücher dieser Kategorie an. Einer der rührigsten Eitelkeitsverlage, Exposition Press, bringt an die zweihundert solcher Bücher im Jahr heraus. Der Verleger, Mr. Edward Uhlan, sagt: "Unsere Autoren müssen psychologisch und finanziell darauf gefaßt sein, Geld einzubüßen. Andere Verlage mögen Reichtümer versprechen ... wir bieten nur Unsterblichkeit!"Er druckt nicht nur den Namen und die Worte des Autors in unsterblichen Lettern, sondern veranstaltet auch Autorenfrühstücke, Autogrammtage in den Buchhandlungen und sorgt für Zeitungskritiken und Rundfunkinterviews. Mr. Uhlan sagt, er habe Autoren gehabt, die derart versessen darauf waren, sich gedruckt zu sehen, daß sie bereit waren, ihre Autos zu verkaufen und Hypotheken auf ihre Häuser aufzunehmen, nur um die Herausgabe ihrer Bücher bei Uhlan zu finanzieren. Einer erbot sich, seine 240 Morgen große Viehranch in Neu-Mexiko zu verkaufen. Mr. Uhlan, ein aufrichtiger Mann, meint: "Ich hatte öfters das Gefühl, mein Schreibtisch im Büro sollte zweckmäßig gegen die Couch eines Psychoanalytikers ausgetauscht werden."

Schöpfungsauswege verkaufen

Die Abteilungsleiterin für psychologische Forschung bei einer Chicagoer Werbeagentur erwähnte beiläufig in einem Gespräch, Gartenarbeit sei eine Art "Schwangerschaftsaktivität". Darüber befragt, erwiderte sie, als erkläre sie die selbstverständlichste Sache von der Welt, daß die Gartenarbeit älteren Frauen eine Möglichkeit gebe, noch Dinge wachsen zu lassen, nachdem sie über das Stadium des Kinderkriegens hinaus seien. Dies erkläre, sagte sie, warum die Gartenarbeit von besonderem Reiz sei für ältere Frauen und für Männer, die ohnehin keine Kinder bekommen können. Sie führte den Fall einer Frau mit elf Kindern an, die nach dem Eintreten der Menopause beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitt, bis sie die Gartenarbeit entdeckte, mit der sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben mit offensichtlichem und großem Entzücken befaßte.

Hausfrauen erzählen durchweg, daß Kuchenbacken eine der erfreulichsten Aufgaben ist. Um Verkaufshinweise zu erlangen, wurden Psychologen zur Erforschung dieses Phänomens angesetzt. James Vicary machte eine Untersuchung über die Kuchensymbolik und kam zu der Schlußfolgerung, daß "überlieferungsgemäß Kuchenbacken stellvertretend für Nicht-mehr-gebären-können steht"; das heißt, wenn die Frau einen Kuchen für ihre Familie backt, beschenkt sie die Familie symbolisch mit einem neuen Baby – eine ihr sehr liebe Vorstellung. Als Beweis führte Mr. Vicary die vielen Späße und das Altweibergeschwätz über das Kuchenbacken an: die Stichelei, daß eine Braut, deren Kuchen zusammenfällt, offenbar dereinst kein Kind zur Welt bringen kann; der eheliche Scherz über "einen Kuchen im Ofen belassen" und der Aberglaube, daß einer Frau, die während der Menstruation backt, der Kuchen wahrscheinlich zusammenfällt. Eine psychologische Beratungsfirma in Chicago führte ebenfalls eine Untersuchung über die Kuchensymbolik durch und stellte fest: "Frauen erleben das Kuchenbacken als ein Geschenk ihrer selbst an die Familie", womit im großen und ganzen das gleiche angedeutet wird.

Die tischfertigen Konserven – vor allem die backfertigen Kuchenmehle – sahen sich bald tief in dieses Problem weiblicher Schöpfungskraft verstrickt und stießen auf weit mehr Widerstand, als die Hersteller sich als logisch denkende Menschen je hätten träumen lassen. Sie mußten mit der Ablehnung und dem Schuldempfinden der Frauen fertig werden, die das Gefühl hatten, die Verwendung von tischfertigen Konserven sei ein Zeichen schlechter Haushaltführung und drohe sie einer gewohnten Quelle des Lobes zu berauben. Anfänglich lautete die Gebrauchsanweisung auf den Kuchenmehlpackungen: "Keine Milch, nur Wasser hinzufügen". Trotzdem ließen viele Frauen es sich nicht nehmen, Milch – als ihren eigenen schöpferischen Beitrag – hinzuzufügen und überluden dadurch den Kuchen oder das Gebäck mit Kalzium; folglich fiel oft der Kuchen zusammen, und die Frauen schalten auf das Kuchenmehl. Oder auf der Packung stand: "Keine Eier hinzufügen". Normalerweise waren bereits vom Hersteller Milch und Eier in Trockenform beigemengt. Aber die Frauen, die man tiefeninterviewte, sagten empört: "Was ist das schon für ein Kuchen, wenn man nur Leitungswasser hinzuzufügen braucht!" Mehrere psychologische Beratungsfirmen rangen mit diesem Problem, und alle gelangten im wesentlichen zu der gleichen Antwort. Die Konservenfabriken sollten stets der Hausfrau etwas zu tun übriglassen. Daher riet Dr. Dichter der General Mills, von nun an der Hausfrau zu sagen, daß sie und Bisquick es gemeinsam schafften, nicht Bisquick allein. Swansdown White Cake Mix wies die Frauen in dicken Lettern an: "Man nehme frische Eier ..." Bei manchen kochfertigen Konserven muß die Hausfrau beides hinzutun, frische Eier und frische Milch.

Wer etwas auf den Markt bringt, entdeckt viele Bereiche, wo der Absatz sich verbessern läßt, indem man dem möglichen Abnehmer nahelegt, das Produkt durch sein eigenes schöpferisches i-Tüpfelchen zu vollenden. Eine Baufirma an der Westküste kam dahinter, daß ihre Architekten und Gestalter die Häuser zwar bis ins letzte Detail entwerfen konnten, es aber trotzdem klüger war, hier und da ein Plätzchen zu belassen, wo die Bauherren ihre eigene persönliche Note anbringen können. Und Dr. Dichter empfahl als Berater pharmazeutischer Firmen, den Ärzten bei medizinischen Präparaten die Möglichkeit zu belassen, nach eigenem Ermessen etwas hinzuzufügen, so daß jeder Arzt das Gefühl haben könne, die Zusammensetzung sei "seine eigene".

Liebesobjekte verkaufen

Man mag das für eine merkwürdige Verkaufsart halten, aber die Reklameleute des Fernsehpianisten Liberace haben – anscheinend mit Vorbedacht – seinen Verkauf an Frauen jenseits der Wechseljahre (aus denen ein großer Teil seiner Anhängerschaft besteht) künstlich durch die Fallen der Ödipus-Symbolik beeinflußt. Der Fernsehjournalist John Crosby spielte bei der Schilderung des Empfanges in England darauf an, wo Liberace – nach Mr. Crosby – "in der ganzen Fülle seiner Grübchen" im britischen Werbefernsehen auftrat. New Statesman and Nation zitierte Mr. Crosby wie folgt: "Jede amerikanische Mami verlangt es danach, diese schelmischen Schmalzlöckchen zu streicheln. Sein breites, zutrauliches Kinderlächeln bleibt sogar, wenn er lauthals singt." Fernsehzuschauer, die Gelegenheit hatten, Mr. Liberace auf dem Bildschirm zu begegnen, werden sich erinnern, daß in sein Auftreten häufig ein Bild seiner richtigen Mami eingeblendet wird, wie sie während der Darbietungen ihres Sohnes strahlend im Schaukelstuhl oder auf dem Sofa sitzt.

Kraftgefühl verkaufen

Der Zauber, den jedes Produkt auf die Amerikaner ausübt, das ihre persönliche Kraft zu erweitern scheint, hat Industrie und Handel ein ergiebiges Ausbeutungsfeld erschlossen. Die Autofabrikanten waren z.B. bestrebt, Wagen mit immer mehr PS zu bauen. Nach einer psychologischen Sondierung kam eine Werbeagentur im Mittelwesten zu dem Ergebnis: Der Entschluß, alle zwei Jahre einen neuen und stärkeren Wagen zu kaufen, erhält einen wichtigen Anstoß durch die Tatsache, daß er ihm (dem Käufer) "ein erneutes Kraftbewußtsein verleiht und ihn in seiner Männlichkeit bestätigt, ein Gefühlsbedürfnis, das sein alter Wagen nicht mehr befriedigt".
Eine Erschwerung liegt für den PS-Reiz eines kraftvollen, neuen Wagens nach den Feststellungen des Institute for Motivational Research darin, daß der Käufer sich häufig schuldig fühlt, weil er sich Motorkraft leistet, die man als unnötig ansehen könnte. Der Käufer braucht eine vernunftmäßige Begründung für die Befriedigung seiner geheimen Wünsche. Als gute Lösung schlug das Institut vor, zwar mit den PS zu locken, jedoch zu betonen, daß diese ganze wunderbare geballte Kraft "zusätzliche Sicherheit im Notfall" bedeute. Das verschafft ihm, wie ein Angestellter des Instituts erläutert, jene "Illusion der Vernünftigkeit", die der Käufer braucht.

Die Werbeagentur McCann-Erickson führte für die Esso eine Untersuchung über die Kaufmotive der Verbraucher durch, um wirksamer neue Esso-Freunde zu werben. Sie entdeckte den beträchtlichen Zauber, der in dem Worte "Kraft" steckt. Nach vielen Tiefeninterviews mit Benzinkäufern vollzog die Agentur eine Werbestrategie, die unentwegt mit zwei Wörtern in Großbuchstaben trommelte: TOTALE KRAFT.

Dieses insbesondere bei Männern vorhandene Verlangen nach Kraftbewußtsein wurde von den am Absatz von Motorbooten interessierten Marketern beobachtet und weidlich ausgenutzt. obwohl der Besitzer eines Tourenbootes kein bestimmtes Ziel hat oder zumindest nicht eilig ist, kaufen die Amerikaner achtmal mehr Motorboote wie Segelboote. Das Institute for Motivational Research untersuchte die amerikanische Einstellung zum Bootskauf und kam zu dem Ergebnis, daß der Durchschnittskäufer sein Boot als ein hervorragendes Mittel zur Befriedigung seines Kraftverlangens ansieht. Ein leitender Mann der Wirtschaft, um eine eingehende Äußerung zu diesem Thema gebeten, sagte: mit einem guten Motorboot "kann man zeigen, daß man ein ganzer Mann ist, und man kann damit lospreschen ohne die Befürchtungen, die man auf der Straße ständig haben muß". Das Institut erklärte, viele Männer schienen ihr Boot zu benutzen, um ihr Kraftbewußtsein "auf beinahe sexuelle Weise" auszudrücken, und umriß das "Kraftprofil" des Durchschnitts-Enthusiasten beim Bootskauf. Wenn der Mann nacheinander fünf Boote besessen hat, sieht sein "Kraftprofil" etwa so aus: erstes Boot 3,5 PS; zweites Boot 5 PS; drittes Boot 2/10 PS; viertes Boot 20/25 PS; fünftes Boot obere PS-Grenze in den Wolken. Das Institut empfiehlt: "Auf Gewinn bedachte Fabrikanten sollten die psychologischen Mittel und Wege zur Auswertung dieser Motive bis ins letzte ergründen.

Verwurzelungsgefühl verkaufen

Als der Mogen-David-Weinvertrieb einen Weg suchte, um seine Absatzwerbung für die damals noch unbekannte Weinmarke mit einem gewissen Zauber auszustatten, wandte er sich über seine Werbeagentur an die Motivforschung. Psychologen und andere Tester hörten sich an, was die Leute aus dem Stegreif über Wein redeten, und stellten fest, daß viele ihn mit vergangenen familiären und festlichen Anlässen in Verbindung brachten. Manche sprachen mit fast so etwas wie Heimweh über den Wein und von der damaligen guten alten Zeit. Man stellte ein schlagkräftiges, auf diesen anheimelnden Assoziationen basierendes Streuwerbungs-Programm auf. Geschickt wurden "Heim" und "Mutter" in die Anpreisungen verflochten. Eine Schlagzeile lautete: "Die gute alte Zeit – der Wein des trauten Zuhause – der Wein, den Großmutter immer hatte." Infolge dieser sorgfältig "motivierten" Slogans verdoppelte sich der Absatz von Mogen David innerhalb eines Jahres, und bald veranschlagte die Firma allein zwei Millionen Dollar für Werbung – die größte Werbekampagne in der Geschichte des Weinhandels.

Unsterblichkeit verkaufen

Von allen Anstrengungen, geheime Sehnsüchte zu verkaufen, war die einer Konferenz von Lebensversicherungsleuten im Mittelwesten vorgeschlagene vielleicht die verblüffendste. Die Konferenz hatte Edward Weiss, Chef von Weiss & Geller, gebeten, den Mitgliedern der versammelten North Central Life Advertisers Association (im April 1955 in Omaha) zu erzählen, wie man der Versicherungswerbung mehr Schwung geben könnte. In seinem Vortrag "Die verborgene Einstellung zur Lebensversicherung" berichtete er über eine von mehreren Psychologen durchgeführte Untersuchung. (Nebenbei wies er darauf hin, daß eines der ernstlichen Probleme für den Versicherungsabschluß bei Frauen darin bestehe, wie man sie zur Unterzeichnung des Vertrages bringe, ohne sie daran zu erinnern, daß sie älter werden. Fangen sie erst an, über ihr fortschreitendes Alter nachzugrübeln, kann die ganze Werbungsmühle um sie vergebens gewesen sein. Weiss meinte, dieses Problem verlange echtes, "schöpferisches" Denken.)

Den Kern seiner Darlegung bildeten jedoch die Erkenntnisse über das Verkaufen von Lebensversicherungen an den Mann, der in den meisten Familien der Ernährer ist und dessen Leben versichert werden sollte. Weiss kritisierte viele der üblichen Verkaufsgespräche als blind gegenüber den Realitäten dieses Mannes, der gewöhnlich die Kaufentscheidung trifft. Normalerweise preise die übliche Werbung entweder die Beharrlichkeit und Hilfsbereitschaft des Versicherungsagenten, oder sie male liebevoll den behaglichen Lebenszuschnitt der Familie aus, der dank der Versicherung auch nach dem Tode des Ernährers gewährleistet sei. Beide Parolen sind grundfalsch, sagte Mr. Weiss. Er gab zu, daß in ein paar Fällen der Ernährer für seine Vorsorge gelobt werde, aber trotzdem wird er stets als einer dargestellt, der schon tot und dahingegangen ist.
Ein echter Anreiz zur Lebensversicherung liegt nach Feststellung der Tester für einen Mann darin, daß ihm der Abschluß "vermittels der Fortdauer seines Einflusses die Aussicht auf Unsterblichkeit" bietet, denn "nicht die Tatsache seines physischen Todes ist ihm unfaßbar, sondern die Aussicht, ausgelöscht zu sein". Der Mensch kann den Gedanken daran nicht ertragen. Weiss berichtete, wenn Männer auf der Ebene des Bewußtseins und des mehr Formalen über Versicherungsschutz redeten, sprachen sie von ihrem innigen Bestreben, ihre Lieben im Falle einer "Eventualität" zu schützen. Dabei kam ihr Wunsch nach Unsterblichkeit deutlich zum Vorschein. Aber Weiss sagte, es gebe kräftige Beweise dafür, daß diese sozial begrüßenswerte Verantwortungsbereitschaft nicht immer der wahre und hauptsächliche Wunsch des möglichen Versicherungsnehmers sei. Zwar scheine er für viele Männer zuzutreffen, aber keineswegs für alle. "In vielen Fällen enthüllten unsere Projektionstests den brennenden Wunsch des Befragten nach Unsterblichkeit, um seine Familie noch nach dem Tode beaufsichtigen zu können. Diese Menschen versichern sich gegen das Ausgelöschtsein durch die Gewißheit, ihre Familie weiterhin beherrschen, den Lebensstandard der Familie bestimmen und die Erziehung ihrer Kinder leiten zu können, nachdem sie längst von hinnen gegangen sind.

Mr. Weiss warf dann die Frage auf, wie die Werbung diese beiden Typen wirksamer jener Art von Unsterblichkeit versichern könne, nach der sie sich sehnten. Kurz gesagt, wie könnte ein Prospekt beide Versprechen – Schutz und Kontrolle – enthalten, ohne den einen oder den anderen Versicherungswilligen abzustoßen? Weiss sagte: "Ich möchte zu bedenken geben, daß eine solche Werbung wirksamer werden kann, wenn sie auf die Gefühlsprobleme des Versicherungsnehmers selbst abgestellt wird, statt die Annehmlichkeiten für seine Hinterbliebenen auszumalen."Er schlug vor, bei der Darstellung von Sicherheit und Eintracht der Hinterbliebenen müsse die "lebende Person" des Ernährers als Bild oder Hinweis stets gegenwärtig sein. Nicht genug damit, daß er ins Familienbild gehöre, "sondern er, und nur er, ist der Held, der ewig Beschirmende, Sorgende, Tröstende und Lenkende".

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