Rainer Mausfeld
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Allgemeine Sinnesphysiologie
Beitrag Mausfelds aus dem Jahre 2001i n: J. Dudel, R. Menzel & R.F. Schmidt (Hrsg.), Neurobiologie. Vom Molekül zur Kognition (pp. 279-295). Heidelberg: Springer.
Durch sensorische Systeme erhält der Organismus Informationen über funktional relevante Aspekte seiner biologisch-physikalischen Umwelt.

Das Bedeutsamkeitsproblem in der Statistik

Der Mensch im Geflecht von Medien, Manipulation und Macht
Interview zur Frage "Warum schweigen die Lämmer?" Artikel aus der NRhZ – Neue Rheinische Zeitung

Der Schein des Realen (2012)
Die empiristische Fehlkonzeption der Wahrnehmung und das Wahrnehmungsattribut "phänomenal real"
Die traditionelle Wahrnehmungspsychologie hat durch ihre physiologistische und physikalistische Orientierung und die damit verbundene Fokussierung auf elementaristische Wahrnehmungsattribute die interne Struktur der Wahrnehmung und damit die explanatorischen Aufgaben der Wahrnehmungspsychologie in grundlegender Weise mißverstanden. Ihre Zugangsweise ist nicht nur phänomenologisch inadäquat, sondern hat sich auch explanatorisch als unfruchtbar erwiesen. Dieser Beitrag zeigt dies am Beispiel des Wahrnehmungsattributs ‚phänomenal real’ auf, das in der traditionellen Wahrnehmungspsychologie als wenig erklärungsbedürftig angesehen wird.

Die Angst der Machteliten vor dem Volk
Demokratie-Management durch Soft-Power-Techniken
Die Frage „Warum schweigen die Lämmer?“ scheint auf uns eine eigenartige Faszination auszuüben, obwohl diese Frage ganz offenkundig unsinnig ist. Denn natürlich kann man Lämmer nicht zum Sprechen bringen. Die Faszination muß also in der Metapher der Herde und des Hirten liegen. Offensichtlich spricht diese Metapher Vorstellungen und Affekte in uns an, die Aspekte unserer politischen und gesellschaftlichen Situation betreffen. Schauen wir uns also diese Metapher etwas genauer an, denn schon ihre Geschichte erlaubt interessante Aufschlüsse. Homer gehört zu den ersten, die sie zur Charakterisierung der Beziehung von Volk und Staatsmann verwendet haben. ‚Hirte‘ klingt ja zunächst sorgend und gütig. Warum aber wird das Volk überhaupt gedanklich zu Lämmern gemacht, die dann eines Hirten bedürfen? Wie kommt der Hirte eigentlich zu seiner Hirtenrolle? Und warum benötigt er Hütehunde, die die Herde auf Kurs halten? Man sieht also, dass diese Metapher schon von Anfang an zutiefst ideologisch durchtränkt ist. Bei Platon finden sich schon erste Zweifel, ob der Hirte, wenn er seine Schafe auf grünen Auen weidet, wirklich das Beste der Schafe im Sinn hat oder nicht vielmehr die Schmauserei oder den Gewinn durch Verkauf. Die Metapher selbst spricht bereits eine Wahrheit aus, die sie gerade verdecken soll: Der Hirte ist natürlich nicht dem Wohl der Schafsherde verpflichtet, sondern dem Wohl des Herdenbesitzers. Der jedoch kommt in dieser Metapher bezeichnenderweise gar nicht vor. Wozu also dient diese Metapher der Herde, die die politische Philosophie des Abendlandes durchzieht?

Die Links-Rechts-Demagogie
Ein Interview mit den NachDenkSeiten
Die NachDenkSeiten beschäftigen sich von Beginn an mit dem Thema Manipulation und mit der Frage, wie man sich davor schützen kann. Ein großer Experte dafür ist auch Professor Mausfeld. Ihn hatten wir im vergangenen Sommer mit den NachDenkSeiten-Leserinnen und Lesern bekannt gemacht. Jens Wernicke hat ihn jetzt aus aktuellem Anlass ein zweites Mal für die NachDenkSeiten interviewt.

Die neoliberale Indoktrination
Ein Interview mit den NachDenkSeiten
Der Neoliberalismus ist als Gesellschaftsideologie ein Phänomen. Nicht nur macht er den Armen und Schwachen weis, sie wären an ihrem Elend selbst schuld. Er schafft es auch, dafür zu sorgen, dass das wahre Ausmaß der gesellschaftlichen Armut kaum je an die Öffentlichkeit dringt; dass das Gesundheitssystem trotz immer höherer Ausgaben immer inhumaner wird; dass die Soziale Arbeit erodiert und kaum jemand etwas hiergegen unternimmt; dass mittels Stiftungen ein regelrechter „Refeudalisierungsboom“ im Lande tobt und Investoren inzwischen auf die Privatisierung des öffentlichen Bildungssystems abzielen. Zur Frage, wie den Menschen mittels geeigneter Psychotechniken der Geist vernebelt wird, um Widerstand gegen diese unmenschliche Ideologie weitestgehend unmöglich zu machen, sprach Jens Wernicke mit dem Wahrnehmungs- und Kognitionsforscher Rainer Mausfeld.

Foltern für das Vaterland (2009)
Über die Beiträge der Psychologie zur Entwicklung von Techniken der "weißen Folter"
Vor 60 Jahren, am 10. Dezember 1948, kamen die Regierungsvertreter aller UN-Staaten zusammen, um eine Erklärung zu verabschieden, in der sie sich – noch im Banne des unmittelbaren Erschreckens darüber, wozu der Mensch fähig ist – auf die Formulierung von Werten verständigten, deren Gültigkeit weltweit zu beanspruchen sei: auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Der Akt selbst und die (trotz der Vielzahl sich auch weiterhin unversöhnlich gegenüber stehenden Weltanschauungen) Einmütigkeit bei der Verabschiedung so weitreichender Normen der Gleichheit, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit erscheinen im Rückblick als ein besonderer historischer Glücksfall in der Kulturentwicklung des Menschen. Auch wenn 1948 der Zweite Weltkrieg und der Holocaust ein Ende gefunden hatten, formuliert allerdings diese Erklärung kaum mehr als eine Rechtsutopie. In dem Jahr, in dem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte verabschiedet wurde, konnte der Gegensatz zwischen Ideal und Wirklichkeit nicht krasser sein: Mahatma Gandhi wurde ermordet, es begann die ethnische Säuberung Palästinas und der Aufbau eines südafrikanischen Apartheitsstaates – Vorgänge, die, wie viele spätere, ihre Wurzeln im imperialistischen Weltbild des europäischen Kolonialismus und in dem mit ihm verbundenen rassistischen Menschenbild hatten. ... Heute, 60 Jahre später, besteht zwischen dem in der Erklärung formulierten Anspruch und der Wirklichkeit immer noch eine erschreckend große Kluft.

Goethes Konzeption von Naturwissenschaft am Beispiel seiner Farbenlehre
Ringvorlesung Philosophische Weltliteratur vom 18. Juni 2008
„Du gleichst dem Geist, den Du begreifst“, heißt es im Faust. Goethe zu begreifen, um mit ihm und an ihm an der Idee teilzuhaben, daß der Mensch der Vervollkommnung fähig sei, gehört seit der Mitte des 18. Jahrhunderts zu den Sehsüchten des deutschen Bildungsbürgertums. Das Ideal dieser Vervollkommnung kulminiert in dem Bild des Olympiers, der - in Georg Simmels Charakterisierung – „in kühler Helle wandelte – in ästhetischem Gleichgewicht und mit der leicht geübten Kunst des Vergessens alles Trübe und die ganze innere Hexenküche des Lebens hinter sich lassend.“

Helmholtz – Die Untersuchung der Funktionsweise des Geistes als Gegenstand einer wissenschaftlichen Psychologie (1994)
Hermann von Helmholtz zählt zu den Begründern und bedeutendsten Vertretern der wissenschaftlichen Psychologie. Worin liegt der Beitrag, den Helmholtz übe rseine sinnesphysiologischen Arbeiten hinaus zur Psychologie geleistet hat? In seinen spezifischen Forschungsresultaten oder in der Übertragung naturwissenschaftlicher Forschungsprinzipien auf die Psychologie?

Kapitalismus und die Wertegemeinschaft der „Herrenmenschen“
Prof. Dr. Rainer Mausfeld im Gespräch mit dem Newsportal Hintergrund zum Themenkomplex Rassismus, Kolonialismus und Kapitalismus
Vorurteil – Diskriminierung – Entmenschlichung. Würde diese Kausalkette einen universell gültigen Rassismus als Basis der kapitalistischen Gesellschaft beschreiben? Wenn ja – welche menschliche Eigenschaft führt zu dieser Negierung einer universellen Menschenwürde?

Neuroreduktionismus (2010)
Psychologie, Biologie, kognitive Neurowissenschaften – Zur gegenwärtigen Dominanz neuroreduktionistischer Positionen und zu ihren stillschweigenden Grundannahmen
Die Psychologie weist zur Biologie, von der Genetik bis zur Ethologie, vielfältige fruchtbare und in der Sache unproblematische Beziehungen auf. In den kognitiven Neurowissenschaften sind jedoch Vorstellungen problematisch, denen zufolge einer neurophysiologischen Analyseebene eine privilegierte Stellung für das Verständnis mentaler Prozesse zukomme. Der Beitrag zeigt noch einmal auf, dass derartige Vorstellungen auf tiefgehenden Missverständnissen naturwissenschaftlicher Forschungsprinzipien beruhen und für die explanatorischen Aufgaben psychologischer Theoriebildung unfruchtbar sind. Er identifiziert zwei Kategorien von Ursachen, warum dennoch neuroreduktionistische Positionen gegenwärtig einen so großen Einfluss in der Psychologie haben. Die wissenschaftspsychologischen Ursachen liegen in der Natur unseres alltäglichen Erklärungskonzeptes mit seiner Vorliebe für konkrete, sinnlich manifeste Wirkfaktoren sowie in unserer Alltagskonzeption psychischer Phänomene. Die wissenschaftssoziologische Ursache liegt in der gegenwärtigen Form der internen Organisation der Forschung auf der Basis ,einfacher‘ und ,objektiver‘ Evaluationsindizes, durch die kurzfristig angelegte Forschungsarbeiten, die einen raschen Ertrag an visibility versprechen, sich in höherem Maße rentieren als langfristig angelegte Beiträge zu einer kumulativen Theorieentwicklung.

No Psychology In, No Psychology Out (2003)
Kommentar zum Diskussionsforum "Biologische Psychologie 2010 – Visionen zur Zukunft des Faches in der Psychologie
Ein Blick in die Wissenschaftsgeschichte eines Faches ist, wie immer, sehr aufschlussreich, wenn man seine Ausdifferenzierung in Teildisziplinen zu verstehen sucht. So kurz die Geschichte der akademischen Psychologie, so lang ist die Geschichte der Behandlung der Kernfragen, die ihr zugrunde liegen. In dem Versuch, die Geschichte des Faches zugunsten der Biologischen Psychologie umzuschreiben, erfahren wir nun, dass „die Wurzeln der gesamten experimentellen Psychologie in der Biologischen Psychologie (Wundt, James) lagen“ (Birbaumer). Nun weiß freilich ein jeder, der sich ein wenig mit der Geschichte des Faches beschäftigt hat, dass sich weder Wundt noch James als Zeugen für eine solche Reduzierung der experimentellen Psychologie auf die Biologische Psychologie eignen. Schwerer wiegt, dass mit einer solchen These die Wissenschaftsgeschichte der experimentellen und naturwissenschaftlichen Psychologie um mindestens 200 Jahre verkürzt wird. Das 17. Jahrhundert hat eine Reihe von tiefgehenden konzeptuellen Klärungen hervorgebracht, die erst - nach entsprechenden Entwicklungen der mathematischen Logik - in der sog. kognitiven Revolution ihre Wirksamkeit entfalten konnten.

Psychologie, "weiße Folter" und die Verantwortlichkeit von Wissenschaftlern (2009)
Ein Artikel der Psychologischen Rundschau, 60 (4), S. 229-240, 2009
In den vergangenen Monaten wurden weitere Dokumente über die Art der ‚innovativen Verhörmethoden‘ bekannt, die in Guantánamo, Abu Ghraib und Bagram routinemäßig angewandt wurden. Diese Verhörtechniken sind, auch nach Einschätzung der gegenwärtigen US-Regierung, als Folter anzusehen. Da sie so konzipiert wurden, dass sie keine für die Öffentlichkeit unmittelbar erkennbaren Folgen hinterlassen, werden sie auch als ‚weiße Folter‘, ‚clean torture‘ oder ‚no-touch torture‘ bezeichnet. Die wichtigsten dieser Dokumente sind die im April von US-Präsident Barack Obama freigegebenen vier geheimen Memoranden des Justizministeriums, der Senatsbericht vom November 2008 sowie der kürzlich bekannt gewordene vertrauliche Guantánamo-Bericht des Roten Kreuzes, der seit 2007 unter Verschluss lag.

Skalenniveau, Invarianz und Bedeutsamkeit
Einer verbreiteten Vorstellung zufolge stellt sich die Beziehung zwischen Zahlen und physikalischen oder psychologischen Grofien so dar: Ordnet man Objekten, Attributen oder Ausprägungen von Eigenschaften Zahlen zu, so solI dies ermoglichen, die Zahlen gleichsam als Stellvertreter der Ausgangsobjekte anzusehen, mit denen sich in ökonomischer Weise operieren läßt und mit deren Hilfe sich dann weitere Aussagen über den betrachteten Bereich ableiten lassen. Da nun die Zuordnung von Zahlen stets auch ein Element der Willkür und Konvention enthält, mochte man sich dagegen absichern, daß sich eine durch Operationen auf den Zahlen gewonnene Aussage nicht sinnvoll "rückinterpretieren" lafit. Dies ist die intuitive Wurzel des sogenannten Bedeutsamkeitsproblems für quantitative Modelle, Statistiken und Indizes. Hiermit eng verknüpft sind Invarianzpostulate, denen zufolge nur solche numerisch formulierten Aussagen und Konzepte als (empirisch) "bedeutsam" oder "sinnvoll" zu akzeptieren seien, welche nicht von der jeweiligen "willkürlich zugrunde gelegten" Skala "abhängen."

Über die Bedingungen der Möglichkeit von Lernen (2005)
Erschienen in der Festschrift zum 75. Geburtstag von Klaus Foppa
Das Faszinierende an der Erforschung des Geistes/Gehirns ist, daß man, unabhängig vom Ausgangspunkt, immer auf dieselben tiefliegenden Fragen trifft, die mit einem theoretischen Verständnis der ‚Natur des Geistigen’ verbunden sind. Selbst Bereiche, die auf den ersten Blick für ein solches Verständnis wenig ergiebig erscheinen, weil sie an der Oberfläche der Sinnesphysiologie oder der Alltagspsychologie zu bleiben scheinen, wie die Farbwahrnehmung oder wie Phänomene des Lernens, führen bei einer tieferen Analyse geradezu zwangsläufig wieder auf diese Kernfragen. So ist es mir auch bei der Lektüre von Klaus Foppas Arbeit „Über Lernen“ ergangen.

Über Ziele und Grenzen einer naturwissenschaftlichen Zugangsweise zur Erforschung des Geistes
Erschienen in: A. Holderegger, B. Sitter-Liver & Ch. Hess (Hrsg.)(2007). Hirnforschung und Menschenbild. Basel: Schwabe.
Verläßt man als Wahrnehmungspsychologe den Bereich der eigenen Expertise und wendet sich philosophischen Themen zu, so kann man – und dies mit gewissem Recht – der skeptischen Vorbehalte sowohl der Wahrnehmungsforscher wie auch der Fachphilosophen sicher sein. Dies gilt besonders, wenn es sich um Themen handelt, bei denen oftmals nicht einmal klar ist, wie sich überhaupt die Fragen formulieren lassen, auf die man eine Antwort sucht. Dennoch ist es – wie nicht nur die Geschichte der Physik, sondern auch die der Psychologie zeigt – gerade ein Kennzeichen der Grundlagenforschung, daß sie immer wieder auf eine Auseinandersetzung mit derartigen Themen zurückführt. Helmholtz selbst, der ja einer der Begründer einer experimentellen Psychologie war, ging es wesentlich darum auszuloten, ob sich die naturwissenschaftliche Zugangsweise, deren große Fruchtbarkeit sich bereits in der Physik erwiesen hatte, auf andere Bereiche, insbesondere den Bereich des Mentalen, in ebenso fruchtbarer Weise ausweiten ließe.

Vom Sinn in den Sinnen – Wie kann ein biologisches System Bedeutung generieren?
Erschienen in Elsner, N. & Lüer, G. (Hrsg.)(2005). „… sind eben alles Menschen – Verhalten zwischen Zwang, Freiheit und Verantwortung“ (pp. 47-79). Göttingen: Wallstein.
Was wir auch fühlen, denken, wahrnehmen, erkennen, wie wir auch handeln und mit der Welt interagieren, alle unsere Aktivitäten sind in Form von Bedeutungseinheiten organisiert. Folglich ist kaum ein Begriff für ein Verständnis der Leistungen des Gehirns so zentral wie der der Bedeutung. Das Gehirn ist ein bedeutungsgenerierendes Organ – gelegentlich wird es deshalb auch als „semantic engine“ bezeichnet – und unterscheidet sich damit wesentlich von anderen Organen. Überraschenderweise fällt uns unter all den eindrucksvollen Leistungen des Gehirns diese Leistung des Erzeugens von Bedeutung am wenigsten auf. Warum dies so ist, hat Wittgenstein in charakteristischer Prägnanz formuliert: „Wir können es nicht bemerken, weil wir es immer vor Augen haben.“ Wittgensteins philosophischer Aphorismus charakterisiert treffend das Verhältnis des Menschen zu den Leistungen seines komplexesten Organs, des Gehirns.

Von der Experimentierstube zur Massenforschung – Experiment und Erkenntnisfortschritt in der Psychologie (2000)
Erschienen in Albertina Christiana, 2000, 50, 21-36
Folgen wir der historischen Selbstbeschreibung der Psychologie, so markieren zwei Ereignisse den Beginn der 'eigentlichen', der wissenschaftlichen Psychologie. Das eine Ereignis, das 1860 zur Publikation der Elemente der Psychophysik führte, war der Einfall, den Gustav Theodor Fechner am 22. Oktober 1850 hatte – morgens im Bett liegend, wie er schrieb –, daß sich nämlich die von ihm gesuchte quantitative Beziehung zwischen Physischem und Psychischem durch eine Übertragung der Bernoullischen Nutzenfunktion auf allgemeine psychologische Größen gewinnen lasse, also logarithmisch sei. Das andere Ereignis war weniger eine Einsicht als eine Absicht, Wundts Absicht nämlich, die Psychologie als ein eigenständiges Unterfangen zu betreiben, das seinen eigenen Entwicklungsdeterminanten zu folgen habe und das seine Fragen und Probleme nicht länger an der Philosophie ausrichten dürfe. Manifestiert hat sich diese Absicht dann in einem Akt, dem eine programmatische Symbolfunktion für die Psychologie zukommen sollte: 1879 führte Wundt für einen Raum im Konvikt-Gebäude der Universität Leipzig, der Geräte für psychologische Demonstrationen beherbergte, die Bezeichnung Laboratorium für experimentelle Psychologie ein.

Von der Zahlenmetapher zur Maßformel – Fechners Psychophysik in der Tradition der Mathesis universalis (2000)
Invited Keynote Address, International Symposium in Honour to G.Th. Fechner, International Society for Psychophysics, 19.-23. Oktober 2000, Universität Leipzig
Die Zahl steht am Anfang aller Dinge. Und die Begeisterung für die Zahl steht am Beginn der abendländischen Wissenschaft. Diese Begeisterung für die Zahl ist das Leitmotiv unserer Bemühungen, die Natur theoretisch zu erfassen. Auch die historische Selbstbeschreibung der Psychologie verweist auf ein Ereignis, das eng mit der Begeisterung für die Zahl verbunden ist: Fechners Vision – am 22. Oktober 1850 im Bette liegend, schreibt er – von einer Welt, in der Leib und Seele, Materie und Geist eine mystische Einheit in der Zahl finden, eine Vision, der zufolge sich, in seinen Worten, über das „Schema der geometrischen Reihen der Ausdruck für das wirkliche Abhängigkeitsverhältnis zwischen Seele und Körper gewinnen“ lasse.

Von Zahlzeichen zu Skalen (1993)
erschienen in: Th.Herrmann & W.Tack (Hrsg.) (1993). Methodische Grundlagen der Psychologie. Enzyklopädie der Psychologie, Bereich B, Serie I, Bd.1, (S.558-603). Göttingen: Hogrefe.
Testen, Skalieren, Messen: drei Bezeichnungen in der Psychologie für einen Sachverhalt, den der Physiker Messung nennt oder den er als ,meßbar machen' umschreibt, falls er erst die Grundlagen der Messung bereitstellt. Die begriffliche Vielfalt in der Psychologie ist nicht Resultat einer logisch-systematischen Einteilung unterschiedlicher Meßoperationen im Bereich des Psychischen, sondern vorrangig historische Konsequenz unterschiedlicher Perspektiven, aus denen heraus in der Psychologie das Meßproblem betrachtet wurde.

Wahrnehmungspsychologie (2010)
Erscheint in: A. Schütz, H. Selg, M. Brand & S. Lautenbacher (Eds.), Psychologie. Eine Einführung in ihre Grundlagen und Anwendungsfelder. Stuttgart: Kohlhammer.
Aus unserer Alltagsperspektive haben wir mit der Wahrnehmung in der Regel keine Probleme, so dass sie uns unter psychologischen Aspekten nicht sonderlich interessant erscheint. Wahrnehmen bedeutet, unseren Alltagsintuitionen zufolge, sich ein für unser Handeln angemessenes Bild der physikalischen Außenwelt zu machen; ein solches Bild wird durch die Sinne vermittelt. Abb. 1 illustriert am Beispiel der visuellen Wahrnehmung, wie wir uns im Kern den Wahrnehmungsprozeß vorstellen.

Wahrnehmungspsychologie - Geschichte und Ansätze (2005)
Erscheint in: Funke, J. & French, P. (Hrsg.) (2005). Handwörterbuch Allgemeine Psychologie: Kognition. Göttingen: Hogrefe.
Erste Kurzversion

Warum schweigen die Lämmer?
Demokratie, Psychologie und Techniken des Meinungs- und Empörungsmanagements
Thema dieses Vortrags sind Techniken, die dazu dienen, schwerwiegende Verletzungen moralischer Normen durch die herrschenden Eliten für die Bevölkerung moralisch und kognitiv unsichtbar zu machen. "Moralisch unsichtbar" sind Verletzungen moralischer Normen, wenn sie zwar als Fakten sichtbar sind, jedoch in einen Kontext eingebettet sind, der verhindert, dass sie in der Bevölkerung ein moralisches Unbehagen oder Empörung auslösen. Ein Beispiel sind die gesellschaftlichen und humanitären Folgen der mit der neoliberalen Wirtschaftsordnung einhergehenden strukturellen Gewalt, wie sie vor allem in der sog. "Dritten Welt", doch zunehmend auch in den westlichen Industrieländern sichtbar werden.

Zur Natur der Farbe
Erscheint in: In: S. Glasauer & J. Steinbrenner (Hrsg.). Farben. Betrachtungen aus Philosophie und Neurowissenschaften. Frankfurt: Suhrkamp.
„Gegen die Reize der Farben, welche über die ganze sichtbare Natur ausgebreitet sind, werden nur wenig Menschen unempfindlich bleiben“, schrieb Goethe 1791 in seinen Beiträgen zur Optik. Farben stellen für uns eine unerschöpfliche Quelle der Faszination dar, eine Faszination, die vom sinnlich-ästhetischen Erleben bis zur Reflexion über den Erkenntnisprozeß und die Natur des menschlichen Geistes reicht. Denn Farben scheinen ein eigentümliches Zwitterleben zu führen. Einerseits stellen sie subjektive Erscheinungen dar, existieren gleichsam nur im Auge des Betrachters.

Zur Phänomenologie und internen Semantik der Wahrnehmungsattribute (2013)
In: K. Mertens & I. Günzler (Hrsg.) (2013). Wahrnehmen, Fühlen, Handeln. Phänomenologie im Wettstreit der Methoden. Mentis Verlag. (S. 31-53)
Ein Wettstreit der Wege, die der Mensch bei seinem Bemühen um ein Verständnis der Welt und seiner Stellung darin einschlagen kann, bestimmt nicht erst mit dem frühzeitlichen Übergang vom Mythos zum Logos die Entwicklungsgeschichte des menschlichen Denkens. Mit der bei den Vorsokratikern entstandenen Unterscheidung von einem durch sinnliche Wahrnehmung erworbenen Wissen und einem wahren Wissen wurde die Beziehung von Mensch und Welt auf der Basis eines in einzigartiger Weise neuen Begriffsapparates radikal rekonzeptualisiert. Sinne und Vernunft werden von nun an in einen Gegensatz gebracht. Dem Verstand kommt die Aufgabe zu, die "Unzuverlässigkeit" der Sinnesorgane zu erkennen und Zugang zur "wahren Welt" zu suchen, die hinter der Welt des Scheins verborgen ist.

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