Auszüge aus E. R. Carmin's
"Das scharze Reich"

Okkultismus und Politik im 20. Jahrhundert

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Vorwort

Ecksteine beim Bau des Hauses einer neuen Ordnung

Die radikalen sozialen, politischen, kulturellen und technologischen Umwälzungen, die dieses abgelaufene 20. Jahrhundert prägten und das Gesicht der Welt wie nie zuvor in der bekannten Geschichte veränderten, waren keine Zufälle.

Weder der Erste noch der Zweite Weltkrieg, weder der Kommunismus noch das Dritte Reich Adolf Hitlers waren Zufälle oder bloße Betriebsunfälle der Geschichte. Auf strenger Esoterik beruhende Machtziele waren die Triebfedern hinter den gestaltenden geschichtlichen Ereignissen dieses Jahrhunderts. Okkult-esoterische Machenschaften standen hinter dem Experiment eines auf rein spirituell-magischer Basis aufgebauten Dritten Reiches ebenso wie hinter dem soeben nicht zuletzt mit vatikanischer Hilfe beendeten "sozialinnovativen" kommunistischen Experiment staatskapitalistischer Ausbeutung im labormäßig abgeschotteten Ostblock.

Die Revolutionen mit ihren Wechselbädern von Horror und dem Erfolgserlebnis scheinbarer Befreiung, die Zerschlagung der monarchischen Großreiche, der Nationalismus als angeblich gigantischer Schritt vorwärts in der Neudefinition vom Wesen des Menschen, der Kommunismus als zumindest zwischenzeitlicher Sieg des Denkens über den Glauben, der es den Weltordnern gestattete, die Fahne der Internationalen aufzuziehen, die Neuordnungskriege dieses Jahrhunderts, und nicht zuletzt Hitler und das Dritte Reich waren Ecksteine beim Bau des Hauses einer neuen Ordnung, waren notwendige Stationen und Durchgänge auf dem Weg zum "Novus Ordo Seclorum".*

* Novus ordo seclorum (auch saeculorum; Latein für "Neue Abfolge der Jahrhunderte") ist eines der beiden Motti auf der Rückseite des Siegels der Vereinigten Staaten, das sich seit 1935 auch auf dem Greenback genannten Ein-Dollar-Schein findet. Das andere Motto lautet Annuit coeptis (lat. für "Er heißt das Begonnene gut"), dazwischen befindet sich das Auge der Vorsehung als Symbol des dreieinigen Gottes. (Quelle und weitere Informationen siehe Wikipedia)

Der okkulte und esoterische Ursprung und Hintergrund des deutschen Nationalsozialismus, das magisch-mythische Wesen des Dritten Reiches Adolf Hitlers und Heinrich Himmlers ist der Schlüssel zum Verständnis dieser Vorgänge: Denn niemals zuvor und niemals danach traten die bestimmenden okkult-esoterischen Kräfte dermaßen in den Vordergrund der "politischen Exoterik". Zu keinem anderen Zeitpunkt der neueren Geschichte wurde in diesem Ausmaß deutlich, wie sehr okkulte Kräfte das äußerlich sichtbare politische Geschehen dirigieren und, andererseits, in welchem Ausmaß die Politik sich magisch-mythischer Tricks und Symbolik, okkulter Riten und der Faszination pseudoreligiöser Inhalte bedient, um den metaphysischen Hunger der Menschen zu manipulieren, zu nutzen, zu mißbrauchen.

Wenn die offizielle Historiografie noch heute, ein halbes Jahrhundert nach dem Ende des Dritten Reiches, dem Phänomen des deutschen Nationalsozialismus und vor allem dem Phänomen Adolf Hitlers nach wie vor ratlos gegenübersteht und sich die Frage, wie dies alles im Lande Goethes, Kants und Beethovens nur möglich war, bestenfalls mit hilflosen Begriffen wie "Irrationalität", "Kunst der Massenpsychologie", "Undefinierbarkeit dieser Bewegung und Weltanschauung" zu beantworten beziehungsweise eben nicht zu beantworten gezwungen sieht, dann deshalb, weil man sich seit nunmehr fünf Jahrzehnten aus verschiedensten Gründen weigert, die okkult-esoterischen Wurzeln des Dritten Reiches auch nur zaghaft zu berühren.

Doch es besteht nicht der allergeringste Zweifel: Der spezifisch deutsche Faschismus, der deutsche National-Sozialismus, der Hitlerismus oder wie immer man diese dem Thule-Orden entsprungene Bewegung bezeichnen mag, hatte letztlich – im Gegensatz etwa zum italienischen Faschismus – außer dem Namen nur wenig mit Nationalismus und Sozialismus zu tun. Selbst die in das Begriffsfeld Blut, Boden, Rasse, Raum, Wille und Kampf gepreßte ariosophische Rassenideologie war nur die Spitze eines okkulten Eisbergs, war letzten Endes nur das äußere Erscheinungsbild einer viel tiefgründigeren Esoterik, einer der abendländischen Rationalität diametral entgegengesetzten Religion. Die geistigen und religiösen Grundlagen des Dritten Reiches und vor allem der SS als Hohlform eines künftigen, auf spirituellen Grundlagen aufzubauenden Staats- und Gesellschaftswesens, waren esoterische und okkulte Lehren desselben Ursprungs wie der jeder Esoterik. Theosophisches, rosenkreuzerisches, alchimistisches, magisch-okkultes Gedankengut findet sich darin – ebenso wie Elemente aus Sufismus, Buddhismus, Hinduismus, Manichäismus oder Kabbalistik.

Ein Lehrstück angewandter Soziologie

Man könnte das, was während des Dritten Reiches in Deutschland geschah, und vor allem, was zu dessen Entstehung führte, in moderner Terminologie als faszinierendes Lehrstück angewandter Soziologie bezeichnen, bei dem alle Register der Subversion, des Terrors und der massenpsychologischen Manipulation gezogen wurden. Im Grunde genommen aber war das Dritte Reich ein gigantisches Werk praktischer Magie, inszeniert, um die Landkarte Europas im Sinne der Neuen Weltordnung zu verändern.

Hinsichtlich der gesellschaftspolitischen und sozialen Voraussetzungen hätte das Reich von Thule auch in jedem anderen europäischen Land in Szene gesetzt werden können, in Italien ebenso wie in Spanien, Frankreich oder Großbritannien. Daß es schließlich nur in Deutschland geschehen konnte, war letztlich bloß eine Frage des historischen Zufalls, oder, je nach Betrachtungsweise, der geopolitischen Gesetzmäßigkeiten.

Die Richter in Nürnberg wußten Bescheid

Doch wie kommt es, daß ungeachtet der unwiderlegbaren Tatsache, daß am Beginn der deutschen nationalsozialistischen Bewegung okkulte Geheimbünde, esoterische Logen und internationale okkultistische Abenteurer und Geheimdienstler standen; daß ungeachtet der belegbaren Verbindungen dieser Geheimbünde und führender NS-Persönlichkeiten zur esoterischen Maurerei; daß ungeachtet der unverhüllten magischen Symbolik und der Riten des Dritten Reiches diese Aspekte in der offiziösen Geschichtsschreibung dermaßen unterschlagen werden konnten? Wie der einstige Ankläger bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen, Aurey Neave, zugab, hatten die alliierten Richter in Nürnberg sehr wohl um den okkulten Hintergrund des Dritten Reiches gewußt, dies aber mit Absicht verschwiegen.

Die Frage, warum das so war, gilt es zu beantworten. War es nur die Angst vor der Faszination des okkulten Urgrundes des Dritten Reiches, die Angst vor der Ansteckungsgefahr, die der esoterische Kern des deutschen Faschismus in einer Welt der kalten Rationalität in sich barg? Oder waren es etwa noch andere, noch tieferreichende Beweggründe?

Der Komplex der sich daraus ergebenden Fragen weitet sich damit weit über den Themenbereich des Dritten Reiches aus. Wenn die entscheidenen Ereignisse dieses Jahrhunderts mehr waren als bloße Zufälle und Betriebsunfälle der Geschichte, was waren sie dann? Welche Kräfte und Mächte haben tatsächlich die Macht und die Möglichkeit, Geschichte zu "inszenieren", ihre wie immer gearteten Absichten auch heute und morgen mittels "transnationaler Aktivitäten" in die Realität umzusetzen: Aktivitäten, die möglicherweise dank der in ihrem Sinne "erzieherischen Funktion" der modernen Kommunikationsmedien nicht als solche erkannt werden? Es gibt mehr als nur vage Indizien dafür, daß es nicht nur eine Religion hinter dem Nationalsozialismus gegeben hat, sondern auch noch eine Art Über-Religion dahinter; daß auch die eigentlichen Beweger der Geschichte einer "anderen Welt" angehören, die mit den Mitteln der rationalen Vernunft nicht recht zu fassen ist, und daß sich diese Beweger der Geschichte – eine kleine, mächtige Elite, für die selbst die Mächte des Kapitals nur nützliche Werkzeuge sind – nicht scheuen, mit den verschiedensten, einander manchmal diametral gegenüberstehenden Kräften Koalitionen einzugehen und sich ihrer zu bedienen, um ihre Ziele zu erreichen.

Der amerikanische Philosoph Alan Watts hat einmal sinngemäß gesagt:

Der entscheidende Irrtum der akademischen Historiker ist der Glaube, das Römische Reich sei untergegangen. Es ist niemals untergegangen.

In der Tat: Die Spur des okkulten Dritten Reiches führt gleichermaßen zurück zu den Geschichtemachern der Vergangenheit, zurück zu den Ursprüngen der wohl unbestreitbar über zwei Jahrtausende hinweg gestaltenden Kräfte, nämlich der römischen Kirche und ihren dialektischen Gegenkräften ebenso wie zu den Ursprüngen der okkulten Strömungen des Islam; sie führt über die Gegenwart auch in die Zukunft: hin zu den machtvollen Drahtziehern einer neuen Weltordnung, die mittels eines unüberschaubaren Netzwerkes legaler und halblegaler Geheimdienste, geheimer und halbgeheimer Gesellschaften religiöser, politischer, hochfinanzieller und verbrecherischer Art jene Macht- und Weltspiele weiterführen, die schon in den letzten zwei Jahrtausenden hinter vordergründiger Politik und ebenso vordergründigen Kriegen standen. Wenn es eines aktuellen Beweises für die Existenz derartiger, übernational operierender Netzwerke bedurfte, die dazu imstande sind, insgeheim die Kontrolle über einen modernen Staat des zu Ende gehenden 20. Jahrhunderts zu übernehmen, dann hat diesen Beweis in der jüngsten Vergangenheit auf durchaus eindrucksvolle Weise zum Beispiel die keineswegs nur in Italien operierende Loge Propaganda due geliefert. Und wenn es eines Beweises für geheime Politik und geheime Koalitionen der erwähnten Art bedurfte, so lieferten die Allianzen zwischen Wojtyla, Reagan, der CIA und Walesa in Polen den notwendigen Beleg, ebenso die eigentlichen Hintergründe der iranischen Revolution und des "Krieges der Welt" gegen Saddam Hussein.

Das  internationale Nazitum im Dienst der neuen Weltordnung

Das Dritte Reich mag in seiner damaligen Form untergegangen sein. Der Schoß, aus dem das Ungeheuer kroch, ist freilich noch immer fruchtbar. Nach wie vor steht das Netz eines internationalen "Nazitums" im Dienst der Neuen Weltordnung und hat längst etablierte Parteien und unverdächtige Bewegungen infiltriert. Das Informationsdefizit über den tatsächlichen Umfang, über Struktur und Organisationsgrad der internationalen nazistischen Szene, deren Bedeutung im Hinblick auf die zu erstarkenden separatistischen Bewegungen neu aufflammenden Nationalismen nicht überschätzt werden kann, ist ebenso erschütternd und vielsagend wie die Geschichtsklitterung im Zusammenhang mit dem Dritten Reich.

Gewiß, im Zeitalter der multimedialen Massenmanipulation bedarf es keines Trommlers namens Hitler, bedarf es keiner Goebbels mehr, und keinem noch so fanatischen Nostalgiker und psychopathischen Hakenkreuzschmierer wird es ohne "geschichtliche Notwendigkeit" jemals gelingen, jenes Dritte Reich von damals wieder zum Leben zu erwecken. Dennoch könnte sich auf andere Weise und in anderer Form bewahrheiten, was in Kreisen der "Neuen Rechten" schon vor Jahrzehnten prophezeit und propagiert wurde: die Revolution im Osten als Vorbedingung für den Sieg der Revolution von Rechts, im Westen. Damit stellt sich ein aktueller Zusammenhang her.
Das Dritte Reich Hitlers ging unter, es hatte seinen Zweck erfüllt.

Das Reich, jenes okkulte Reich, als dessen Bestandteil und Instrument sich das nationalsozialistische Deutschland manifestiert hatte, ging freilich niemals unter.

Hitler hat viele  Gesichter

Hitler ist in der Geschichte der Neuen Weltordnung lediglich ein Synonym für eine ganze Reihe von Hitlers, die, vor den Karren des Novus Ordo Seclorum gespannt, die Menschheit in eine bestimmte Zukunft ziehen, führen, locken, notfalls und nicht eben selten prügeln. In diesem Sinne ist Hitler nicht tot. Er hat nur verschiedene Gesichter, Gestalten, Namen, Rollen: Die des Diktators, des Massenmörders, des populistischen Demokraten, des Demagogen, des Rebellen und Revolutionärs, des Terroristen, des Friedensstifters, des Mitläufers, des zynischen Ehrgeizlings, des Verführers und des Verführten, des Welterlösers und des Vernichters, des "rex mundi" und des nützlichen Idioten im relativen Guten wie im relativen Bösen – und in diesem Sinne sind auch Links und Rechts letzten Endes Begriffe politischer Relativität. Das Recht der Völker auf Selbstbestimmung, Demokratie und Freiheit: hohle, wenngleich psychologisch wirksame Begriffe, die, beliebig ausgefüllt, der Täuschung und der Manipulation dienen und von denen letzten Endes nur übrigbleibt, was die Gesetze des Reiches der Neuen Weltordnung erlauben. Das Ziel ist alt, der Weg scheint unumkehrbar.

Wir haben es hier mit Kräften zu tun, die sich bewußt sind, daß das Wissen um die Zusammenhänge zwischen Mensch und Welt, den Gesetzen der Evolution, den sich daraus ergebenden Wechselwirkungen und deren Beherrschung durchaus praktisch genutzt werden kann, um das politische und geistige Leben der Völker im Rahmen des Novus Ordo Seclorum als deren Wohltäter und Bewahrer der einzigen Wahrheit zu kontrollieren.

Da sich herausgestellt hat, daß sich die ideale "One World" auf der Basis der Einsichtigkeit und Vernunft der Menschen guten Willens nicht – oder zumindest nicht im Sinne der Weltordner – realisieren läßt, daß ebensowenig wie einst die im Transzendenten verankerten "Zehn Gebote", die humanistischen Ideale den Menschen zu verändern vermochten, soll eine konsequente Umwälzung der Strukturen den letzten Endes jedes allgemeinverbindlichen und damit absolut verpflichtenden Ordnungsfaktors verlustig gegangenen Menschen in die Neue Ordnung hineinzwingen, ob er dies nun will oder nicht. Da sich der Mensch nicht ändert, muß eben die ihn umgebende Gesellschaft geändert werden. Die "Öffnung" der Welt für die Neue Ordnung erfolgte und erfolgt

  • über die Internationalisierung eigens zu diesem Zweck provozierter lokaler Konflikte und Kriege; durch Zerschlagung alter, historisch gewachsener Strukturen;
  • durch die über die sogenannte Kapitalhilfe beziehungsweise Wiederaufbauhilfe eingeführte internationale Tributpflicht;
  • über die nationalistische und separatistische Aufarbeitung alter und hinderlicher politischer Strukturen;
  • über Revolutionen und Umstürze;
  • über die Förderung multinationaler Monopole und multinationaler Bürokratien zur Neutralisierung uneinsichtiger Staatsmänner durch Terroristen.

Neo-Nationalismus kein Paradox

Daß man sich gerade heute wieder des Nationalismus als Instrument politischer Umwälzung bedient, ist nur scheinbar ein Paradox. Es ist dies etwa auch kein Widerspruch zur Beendigung des kommunistischen Experiments, sondern steht konsequent in Einklang mit dem Übergang zu einer neuen, "nichtmarxistischen Form des Sozialismus" als zwangsläufige Folge des nunmehr zum Ordnungsprinzip erhobenen internationalen Kapitalismus: Die schleichende Enteignung der Produktionsmittel und der Staats- und Volksvermögen durch die anonyme Kapitalbürokratie der Multis, der internationalen Banken, der supranationalen Institutionen und der Monopole.

Unter den Deckmäntelchen von Humanität, Demokratie und Sozialismus sowie allen möglichen Formen religiöser Falschmünzerei wird einer metaphysisch verwirrten Masse ein angeblich freies, physisch bequemes Leben unter dem allgemeingültigen Gesetz einiger "Wohltäter der Menschheit" suggeriert: Es ist dies am Ende die Freiheit einer zu höheren Zwecken mißbrauchten ökonomischen Sklavenkaste, die am Ende ihrer Erziehung sogar die "reine Lehre" im Supermarkt wird kaufen dürfen, zugeschnitten auf die persönlichen Bedürfnisse und möglicherweise als Lohn für allgemeines Wohlverhalten.

Weil der einzige Wertmaßstab dieser Hüter der Wahrheit die nackte Macht über Mensch und Gesellschaft ist, können sie sich jedes Mythos bedienen, der ihren Endzwecken dienlich ist: irgendeiner kosmischen Ordnung, irgendeiner Religion, irgendwelcher traditionellen Werte oder Hierarchien in jeder beliebigen Verpackung.

Heute – wiederum wie zur letzten Jahrhundertwende – in einer Zeit der Verunsicherung, in einer Zeit, in der sich jahrhundertelang gültige Paradigmen von selbst in Frage stellen, in einer Zeit, da der Mensch nach neuen Werten und nach dem Sinn seiner Existenz Ausschau hält, steht den Neuordnern der Welt die unbegrenzte Macht des technotronischen Fortschritts zur Verfügung, die ganze Bandbreite psychologischer, intellektueller, politischer und religiöser Manipulation.

Viel wirksamer noch als es die roten Fahnenmeere der Kommunisten und die berauschenden Aufmärsche der Nationalsozialisten aus dem Thule-Reich jemals vermocht hätten, können sie den Menschen in jedem Wohnzimmer jene Rituale, jene Schauspiele, jene suggestive Farbenpracht bieten, mit denen der moderne Geist nur allzuleicht zu manipulieren ist.

Dieses Reich existiert. Es hat insgeheim schon immer existiert. Im Zeichen des Pentagramms hat es allen natürlichen und oft nur scheinbaren Widerständen zum Trotz Hitlers Traum nun verwirklicht: Herrschaft und Kontrolle über die Welt zu erlangen. Das Reich ist dabei, sich mehr und mehr zu offenbaren. Die Terminologie seiner heimlichen Diener, die dabei sind, die letzten Bausteine zu bearbeiten, spricht eine deutliche Sprache. Ob dieses Haus der Neuen Ordnung ein Reich des Guten oder ein Reich des Bösen sein wird – diese Frage zu beantworten wird letzten Endes die Aufgabe eines wirklich mündigen Menschen sein.

"Von einem fremden Planeten ..."

Man schreibt den 21. Mai 1945. Seit zwölf Tagen ist der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende. Zumindest wird nicht mehr geschossen und gebombt. Vielleicht ist man froh darüber, vielleicht ist es den Menschen aber auch schon gleichgültig. Was von diesem tausendjährigen Reich übriggeblieben ist, reicht auch ohne Schießerei noch für lange, um einem den Appetit auf irgendeine Zukunft zu verderben. Geblieben ist ein von Phosphor und Bomben ausgebranntes Ruinenfeld, geblieben sind Tod, Elend und Hunger, Erniedrigung, Schande und Scham. Die perfekte Götterdämmerung.

Aus Übermenschen und ganz gewöhnlichen Menschen sind plötzlich die Untermenschen geworden, mehr oder weniger vogelfrei. Germany must perish. [Deutschland muß sterben] In den KZs und in den Vernichtungsanlagen kommen Dinge ans Licht, die jedes Vorstellungsvermögen übersteigen. Vor allem das vieler Deutscher. Für die Sieger ist die Überraschung weniger groß, zumindest für die obere Garnitur, denn die wußte seit Jahren von Auschwitz und Dachau. Jetzt überlegt man, was mit den Barbaren zu geschehen hat. Die Überlegungen reichen von der kollektiven Sterilisierung über die Verteilung als lebenslängliche Zwangsarbeiter an die Nachbarvölker bis zu den humanen Absichten, die Deutschen zu einem Ackerbauernvolk zu machen. Inzwischen tut man, was unschlüssige Sieger mit Verlierern zu tun pflegen. In dieser Beziehung kennt ja die Geschichte kein Gut und Böse. Man bedient sich zunächst planlos und ungeniert, entvölkert, plündert, requiriert, entindustrialisiert, rechnet ab. Später begnügt man sich mit der Entnazifizierung und der Verurteilung einiger Verantwortlicher bei den Nürnberger Prozessen.

Aber noch ist es nicht soweit. Noch herrscht Chaos. Schuldige und Nichtschuldige, Nazi-Bonzen und Mitläufer laufen noch durcheinander über den Trümmerhaufen Deutschland, versuchen unterzutauchen, zu kollaborieren, zu fliehen, vielleicht sogar in der wahnwitzigen Hoffnung, daß nach dieser dunklen Stunde der Geschichte am Ende doch das Reich mit allem Glanz und aller Herrlichkeit wiederkommen wird.

...

"Da liegt Deutschland, kommt und nehmt euch ein Stück davon"

September im Jahr 1907. Die Fahrt Europas ins Ungewisse war schon längst in vollem Gang, auch wenn es noch einige Jahre dauern sollte, bis die Startschüsse zum großen Neuordnen auf dem alten Kontinent fallen würden. Daß dergleichen in der Luft lag, das hat die britische Saturday Review schon 1880 gewußt:

Wenn Deutschland heute vernichtet wird, so gibt es keinen Engländer, der dadurch morgen nicht um so reicher würde. Sollten Völker etwa nicht Krieg führen um einen Millionenhandel? Aus tausend Eifersüchteleien wird sich ein ungeheurer Krieg entzünden, und das Ende wird die Niederlage Deutschlands sein. Dann werden wir die Völker Europas einladen: Da liegt Deutschland, kommt und nehmt euch ein Stück davon.

Für Deutschland traf genau dies ein, und zum Dessert gehörte auch die Donaumonarchie. Daß dabei die Engländer nicht reicher geworden sind, liegt wohl daran, daß für das gemeine Volk Krieg stets mit Enttäuschungen endet.

Aber fahren wir zunächst mit einem schnaufenden und fauchenden Bummelzug von Linz in das Wien der Jahrhundertwende, dem es damals an Hellsehern jeder Art auch nicht mangelte.

In einem Abteil der dritten Klasse sitzt an einem kühlen und regnerischen Septemberabend des Jahres 1907 ein junger, etwas dandyhaft gekleideter Mann. Er sitzt allein im Abteil, versucht trotzdem, seine zu groß geratenen Füße unter der Sitzbank zu verbergen. Nervös spielt er mit dem Elfenbeingriff seines Spazierstocks. Ganz im Gegensatz zu seinen Füßen hat der etwa achtzehnjährige Mann die Hände eines Pianisten, zart wie die einer Frau. Der Mann mit dem schmalen, blassen Gesicht und dem kleinen Oberlippenbart blickt durch das Fenster auf die verregnete Landschaft, die an ihm vorbeikriecht. Er lächelt, und womöglich träumt er eben von Ruhm, Reichtum und einer großen künstlerischen Laufbahn in der Hauptstadt der Monarchie, die ihn schon ein Jahr zuvor während eines kurzen Besuches in ihren Bann gezogen hat: Das war die große, weite Welt, in der der junge Adolf Hitler sein Glück versuchen wollte.

Dieses Wien, in das Hitler damals kam, war allerdings so moribund wie das ganze Habsburgerreich, und die Zuckergußatmosphäre des Fin de siècle hatte ihren Ursprung weniger in den Wiener Cafés als im süßlichen Geruch welkender Blumenkränze am Grab der Doppelmonarchie.

Die Jahrhundertwende: Zeit der Geheimbünde

Aber eines hatte Wien damals mit allen anderen Städten Europas gemeinsam. den Aufstand gegen den Rationalismus. Allerorten machte sich eine Neigung zum Übernatürlichen, Okkulten und Mystischen breit. Selbst die Wissenschaft befaßte sich am Ende des vergangenen und zu Beginn dieses Jahrhunderts mit dem "Übernatürlichen" – es begannen die Anfänge dessen, was man heute Parapsychologie nennt. Man denke nur an den englischen Arzt Dr. Walter J. Kilner, der den sogenannten Kilnerschirm erfand, um die menschliche Aura sichtbar zu machen, oder an den Arzt Albert Freiherr von Schrenck-Notzing, der durch seine Materialisations-Experimente im Beisein von Thomas Mann bekannt wurde. Daneben wurden eifrig auch auf dilettantische Weise Geister beschworen, wurde durch Glaskugeln geguckt, allerlei Spuk getrieben. Es herrschte eine allgemeine anti-materialistische Aufbruchstimmung, die esoterische Grüppchen sprießen ließ wie Pilze in warmem Regen. Aber es war auch die Zeit der Geheimbünde, die sich magischen Praktiken hingaben und Ziele verfolgten, die mit dem üblichen Spiritismus nur wenig gemein hatten und nach außen hin oft ein ganz anderes Gesicht zeigten als in ihren abgedunkelten Kulträumen, zu denen nur kleine Kreise Eingeweihter Zutritt hatten. Schon um 1880 wurden in Frankreich, England und Deutschland verschiedene Orden gegründet, in denen sich durchaus bedeutsame Persönlichkeiten zusammenschlossen. Noch ist die Geschichte dieser mystischen Bewegungen nicht geschrieben, sieht man von vereinzelten Andeutungen ab, weil die Historiker aller Gattungen es nicht für notwendig fanden, sich damit zu befassen. Aber hier sind die Grundlagen jener Religion zu finden, die hinter dem Nationalsozialismus stand.

Schwarze Magie unter dem Hakenkreuz

Der Kampf der Blonden gegen die Tschandalen

Im Wien der Jahrhundertwende laufen einige jener Fäden zusammen, die kaum zwei Jahrzehnte später zum Thule-Orden in München führen, der den Deutschen und der Welt das Dritte Reich ausbrüten sollte. Nach den Berichten eines Freundes aus der späteren Wiener Zeit hat sich der junge Hitler damals mit allen ihm erreichbaren esoterischen Gedankenschulen beschäftigt. Er las Bücher über Yoga, Astrologie, Hypnose und Telekinese und über allerlei asiatische Geheimlehren. Hier kam Hitler natürlich auch in Berührung mit einem rassistischen Primitiv-Okkultismus, der aber im Dritten Reich eher zur Exoterik, zur äußeren Erscheinung der eigentlichen Lehre gehörte. Es läßt sich mit Wilfried Daim (Der Mann, der Hitler die Ideen gab) sicher darauf schließen, daß Hitler seine rassistischen Vorstellungen teilweise von dem einstigen Zisterzienser-Mönch Lanz von Liebenfels bezogen hat, die dieser in seinen billigen und damals weitverbreiteten Ostara-Heften publizierte. Im Mittelpunkt dieser Publikationen stand der blonde, blauäugige "arische Mensch", der Götter Meisterwerk, während die Dunkelrassen, für die Liebenfels den Begriff "Tschandalen" erfand, der Dämonen Pfuschwerk waren. Derlei Vorstellungen über den Kampf der Blonden gegen die Tschandalen gehörten allerdings damals zum Bildungsgut auch der besten Kreise in Österreich-Ungarn, und nicht nur dort. Doktoren und Professoren zerbrachen sich ihre Gelehrtenköpfe über den Unterschied zwischen "Gesäßformen der höheren und der niederen Rassen" und über Ähnliches mehr. Aber es wäre zu einfach, in diesen absurden Lehren den Hintergrund für das zu sehen, was schließlich im Dritten Reich geschah. Zutreffend ist sicher, daß die Schriften des ehemaligen Mönchs, der später wieder als Mitglied der Thule-Gemeinschaft in Erscheinung treten sollte, mit zu dem damals weitverbreiteten und von vielerlei Seiten geförderten System von Rassenstolz, Vorurteilen und abergläubischer Furcht vor dem "anderen" gehörte, das den Aufstieg Hitlers möglich machte und das unter seiner Herrschaft perfektioniert wurde. Jedenfalls gehörte der Rassismus in dieser Form nicht zum Kern der nationalsozialistischen Religion, obgleich er sich als Methode daraus ergab.

Gobineau: die Ungleicheit der menschlichen Rassen

Im übrigen war das schon damals nichts Neues. Bereits 1855 erschien die Arbeit des französischen Grafen Arthur Gobineau über Die Ungleichheit der menschlichen Rassen. Nach seinen Erkenntnissen ist allein die weiße Rasse im Gegensatz zur schwarzen und gelben dazu befähigt, schöpferische Kräfte zu entfalten. Innerhalb dieser weißen Rasse sind es dann wiederum die am wenigsten blutvermischten Arier und Germanen, die zu den edelsten und wertvollsten Menschen gehören, denen die körperlich degenerierten und geistig unschöpferischen Semiten als ihr äußerster Gegensatz entgegengestellt werden. Bestimmung dieser Arier sei es, die Welt zu beherrschen.

Diese rassistische Geschichtsauffassung erhielt später durch den gebürtigen Engländer und Schwiegersohn Richard Wagners, Houston Stewart Chamberlain, ihre weiteste Verbreitung in deutschen Landen. Auch ein Schweizer trug etwas dazu bei, nämlich der Historiker und Sprachforscher Adolphe Pictet mit einem Werk des Titels Migrations primitives des Aryas ("Urwanderungen der Arier"), das den Aufstieg der Herrenrasse verkündete:

Zu einer Epoche, die älter ist als jedes historische Zeugnis und sich in nebelhafter Vorzeit verliert, wuchs in der Urheimat allmählich eine Rasse heran, die von der Vorsehung dazu bestimmt war, eines Tages über die ganze Welt zu herrschen. Eine Rasse, die aufgrund der Reinheit des Blutes und der geistigen Gaben vor allen anderen Rassen bevorzugt war!

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