Auszüge aus Michael Moore's
"Stupid White Men"

Eine Abrechnung mit dem Amerika unter G. W. Bush

Bananenrepublik USA : Im Weißen Haus sitzt »Baby Bush mit seiner Kamarilla«,ein Präsident, der nie gewählt wurde und der regieren lässt – hauptsächlich von Geschäftsfreunden seines Vaters. Die Lage der Nation ist entsprechend: Die Außenpolitik eine Serie von haarsträubenden Fehlentscheidungen, die Börse entpuppt sich als eine Spielwiese für Betrüger, viele Anleger sind ruiniert, die Wirtschaft auf Talfahrt. In dieser Abrechnung voll boshaftem Witz zeigt Michael Moore, was alles schief läuft in der einzig noch verbliebenen Weltmacht USA. Er schont dabei nichts und niemanden, zeigt die Schwächen des politischen Systems ebenso auf wie die Auswirkungen des ungebremsten Kapitalismus. Moore gelingt eine seltene Mischung aus knallhartem politischen Buch und witziger Satire, die niemanden gleichgültig läßt.

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Einleitung

Manche behaupten, alles habe am Abend des 7. November 2000 begonnen, als Jeb Bush seinem Bruder George Junior ein vorzeitiges Weihnachtsgeschenk machte – den Staat Florida. Für andere, denen zehn Jahre lang das Glück an der Börse hold war, kam der Wendepunkt, als der Dow Jones die schlimmsten Kursverluste der letzten 20 Jahre erlitt.

Für die meisten jedoch war der Spaß an jenem Abend zu Ende, als wir erfuhren, daß Pluto kein Planet ist und das Leben, wie wir es kannten, mit einem Mal so fern und befremdlich war wie der Ausdruck in den Augen des neuen »Präsidenten«.

Doch im Grunde spielt es keine Rolle, welchen Augenblick man wählt, an dem alles vor unseren Augen zusammenbrach. Wir als Amerikaner wissen nur eines: Die fetten Jahre sind vorbei.

Das amerikanische Jahrhundert? Vorbei. Willkommen im Alptraum des 21. Jahrhunderts!

Ein Mann, den niemand gewählt hat, sitzt im Weißen Haus. Kalifornien hat nicht genug Strom, um Saft auszupressen oder seine Todeskandidaten hinzurichten.

Wenn man ans andere Ende der Stadt will, ist es billiger, sich als FedEx-Paket aufzugeben, als selbst hinzufahren.

Rußland und China haben ein neues Bündnis geschlossen – nachdem wir gerade den letzten Atombunker demontiert haben. Aus den Dot.com-Unternehmen sind Not.com-Unternehmen geworden, und der NASDAQ ist eine so sichere Geldanlage wie ein Pokerspiel in einem Hinterzimmer in Reno.

In den vergangenen zwei Jahren gab es die schlimmsten Entlassungswellen, seit die Reagan-Renaissance das Land verwüstet hat.

Man hat eine größere Chance, die Innenministerin von Florida, Katherine Harris, oder Tom DeLay zu treffen, den Mehrheitsführer der Republikaner im Repräsentantenhaus, als in Detroit an einem sonnigen Tag seinen Anschlußflug bei Northwest Airlines zu erwischen.

Was sagen Sie da? Sie wollen im »Kundendienst« mit einem richtigen Menschen sprechen? Ha Ha Ha! Drücken Sie die vier und verabschieden Sie sich von allen Aufgaben für den Rest des Tages.

Ach, und was haben Sie doch für ein Glück! Sie haben zwei Jobs und ihre Frau auch, und dann haben Sie noch den kleinen Jimmy, der bei McDonald’s arbeitet, damit Sie sich das neue Haus in der baumbestandenen Straße mit den sauber gepflegten Rasenflächen und den properen weißen Holzzäunen leisten können. Schauen Sie doch, da springt Bello hoch und begrüßt Opa, der gerade in die Einfahrt biegt! – und nächsten Monat werden Sie die letzte Rate von Ihrem Studienkredit abzahlen, der Ihnen seit 20 Jahren am Hals hängt, aber dann ...

PLÖTZLICH gibt Ihre Firma bekannt, daß sie nach Mexiko ziehen wird – ohne Sie! Der Arbeitgeber Ihrer Frau hat beschlossen, daß sie nicht mehr gebraucht wird, weil der neue Berater für »Human Resources« meint, ein Mitarbeiter könne leicht die Arbeit von dreien erledigen, und der kleine Jimmy liegt mit einer unbekannten Krankheit darnieder, die er sich geholt hat, weil er etwas aus der McNugget-Friteuse gegessen hat, und Ihre Krankenversicherung erklärt, sie könne Jimmys Operation nicht bezahlen, aber sie werde ihn gerne ambulant behandeln lassen, wenn Sie bereit sind, zweimal in der Woche nach Tijuana zu fahren, weil dort direkt hinter der Grenze eine neue Klinik für ambulante Patienten gebaut wurde, der Freihandel macht’s möglich, und durch den wurde vielleicht oder vielleicht auch nicht das Insekt eingeschleppt, das man in dem angebissenen McNugget von Jimmy gefunden hat – ach, und Entschuldigung, der Gerichtsvollzieher hat angerufen, Sie müssen Ihren neuen Toyota Celica zurückgeben, weil Sie eine Ratenzahlung vergessen haben! Hey, wenn Sie schon nach Tijuana fahren und Jimmy ins Krankenhaus bringen, könnten Sie auch gleich weiterfahren und sich bei Ihrer alten Firma um Ihren alten Job bewerben, denn dort bekommen die ganzen »Teilhaber«, wenn sie morgens um fünf zur Arbeit kommen, gratis einen Burrito zum Frühstück und haben ein eigenes Klohäuschen.

Korrigieren Sie mich, wenn ich träume, aber sahen die Dinge noch vor etwa einem Jahr nicht viel besser aus? Sollten wir nicht die »größte wirtschaftliche Expansion in der Geschichte« erleben? Hatte die Regierung es nicht nach 55 Jahren geschafft, aus den roten Zahlen zu kommen und wies endlich einen Überschuß aus, der so hoch war, daß man damit jede Straße, Brücke und jeden Backenzahn in den USA sanieren könnte? Die Luft- und Gewässerverschmutzung hatte ihren tiefsten Stand seit Jahrzehnten erreicht, die Kriminalitätsrate war so niedrig wie nie zuvor, unerwünschte Schwangerschaften bei Teenagern gingen merklich zurück, und mehr Jugendliche denn je erreichten einen Highschool – oder Collegeabschluß. Alte Menschen lebten länger, man konnte für 12 Cent die Minute mit Katmandu telefonieren, und das Internet brachte die Welt (abgesehen von den zwei Milliarden Menschen, die keinen Strom haben) näher zusammen. Palästinenser brachen mit Israelis das Brot, und die Katholiken in Nordirland tranken mit den Protestanten ein Bierchen. Ja, das Leben wurde immer besser – und wir alle spürten es. Die Leute waren freundlicher, Wildfremde auf der Straße sagten einem die Uhrzeit und bei»Wer wird Millionär« wurden die Fragen einfacher gemacht, damit mehr Teilnehmer gewannen.

Und dann passierte es.

Anleger verloren Millionen an der Börse. Die Kriminalitätsrate stieg zum ersten Mal wieder seit zehn Jahren. Die Zahl der Entlassungen schoß in die Höhe. Amerikanische Wahrzeichen wie TWA oder die Kaufhauskette Montgomery Ward gingen pleite. Plötzlich fehlten uns 2,5 Millionen Barrel Öl – und zwar am Tag! Die Israelis töteten wieder Palästinenser, und die Palästinenser revanchierten sich. Mitte des Jahres 2001 herrschte in 37 Ländern auf der Welt Krieg. China wurde wieder einmal unser neuer Feind. Die Vereinten Nationen warfen uns aus der Kommission für Menschenrechte und die Europäische Union meckerte, weil wir mit der Fortsetzung der Forschung für »Star Wars« einseitig gegen den ABM-Vertrag verstießen. Es war verdammt schwierig, einen guten Film zu finden, das öffentlichrechtliche Fernsehen verlor Millionen Zuschauer, und jeder Radiosender klang gleich, und das heißt: beschissen. Kurz gesagt, mit einem Mal war alles Scheiße. Ob es nun die zerrüttete Wirtschaft war, die Energiekrise, der sich nicht einstellen wollende Weltfrieden, die Arbeitslosigkeit, das marode Gesundheitswesen oder einfach der unbrauchbare Wahlzettel, mit dem wir einen Präsidenten küren sollten – den meisten Amerikanern wurde auf unerträgliche Weise klar, daß nichts mehr funktioniert. Die Reifen von Firestone platzen und die Explorer von Ford, die mit diesen Reifen herumfahren, streiken – und das heißt, auch Sie streiken, weil Sie nämlich tot und mit abgetrenntem Kopf in einem Straßengraben neben Dunkin’ Donuts liegen.

Der Notruf funktioniert nicht und die Feuerwehr kommt nicht, wenn man sie ruft. Handys funktionieren nicht, und wenn sie funktionieren, dann bei dem Blödmann am Nebentisch, der gerade mit seinem Broker streitet, während Sie versuchen, in Ruhe zu essen.

Das Wörtchen Entscheidungsfreiheit gehört der Vergangenheit an. Wir haben nur noch sechs Medienunternehmen, sechs Fluggesellschaften, zweieinhalb Automobilhersteller und ein Radiokonglomerat. Alles, was Sie brauchen, bekommen Sie bei Wal-Mart. Sie haben die Wahl zwischen zwei politischen Parteien, die gleich klingen, gleich entscheiden und von genau den gleichen reichen Spendern finanziert werden. Sie können sich entscheiden, unauffällige Pastelltöne zu tragen und den Mund zu halten oder ein Marilyn Manson-T-Shirt anzuziehen und von der Schule geschmissen zu werden. Britney Spears oder Christina Aguilera, Warner Brothers oder United Paramount Network, Florida oder Texas – es gibt keinen verdammten Unterschied, Leute, es ist alles das gleiche, das gleiche, das gleiche ...

Wie ist es so weit gekommen? Drei kleine Wörter zur Klärung: Dumme weiße Männer.

Denken Sie mal darüber nach: die Bush-Bubis, die das dürftige politische Vermächtnis (von Charisma wollen wir gar nicht erst reden) ihres Daddys noch spärlicher zwischen sich aufteilten.

Dick Cheney, Donald Rumsfeld, Spencer Abraham und die anderen alten Gauner, die Bush zu seiner Unterstützung reanimierte. Die CEOs der Fortune 500, die Zauberer hinter den Kulissen von Hollywood und dem Kabelfernsehen mit seinen 500 Programmen, verflucht, der ganz normale Joe von nebenan, der mit seinem neuen Auto 20 Liter Benzin auf 100 Kilometer braucht und denkt: »Nicht schlecht!«, während das Ozonloch über seinem Kopf immer größer wird.

Richtig, die ganze Welt ist voll von dummen weißen Männern – und ich bin überzeugt, daß sich das bereits rächt. Letzten Februar stieg das Thermometer in Chicago an einem Tag auf 21 Grad Celsius, und was passierte? Jeder schien zu denken: Prima, das ist ja toll! Die Leute liefen in kurzen Hosen herum und am Strand vom Lake Michigan tummelten sich die Sonnenanbeter. »Junge, ich liebe dieses Wetter«, sagte eine Frau auf der Straße zu mir.

Sie lieben es? Darf ich Ihnen eine Frage stellen? Wenn die Sonne heute plötzlich um Mitternacht aufgehen würde, würden Sie dann auch sagen: »Oh, toll, das ist aber schön! Ich liebe es! Mehr Tageslicht!«

Nein, das würden Sie natürlich nicht. Sie würden ausflippen, wie es die Welt noch nicht erlebt hat. Sie würden sich die Seele aus dem Leib schreien, daß die Erde ihre Umlaufbahn verlassen hat und mit einer Geschwindigkeit von einer Million Kilometer pro Sekunde in die Sonne stürzt. Ich bezweifle, daß dann jemand zum Strand rennen würde, um die unverhofften Sonnenstrahlen zu genießen. Natürlich, vielleicht ist alles gar nicht so schlimm: Vielleicht hat auch nur jemand tausend Sprengköpfe auf Milwaukee abgefeuert, und das helle Licht, das Sie dort im Norden sehen, ist die Atombombe, die gerade die leeren, pleite gegangenen Bierbrauereien in Schutt und Asche legt. Egal, auf jeden Fall würden Sie so viele Ave Marias und Psalmen runterbeten, daß Ihnen mindestens zehn Jahre Fegefeuer erlassen werden.

Warum um alles in der Welt halten wir eine Temperatur von 21 Grad im kältesten Monat des Jahres in einer der kältesten Städte der USA für etwas Erfreuliches? Wir sollten von unseren Abgeordneten sofortige Maßnahmen und von den Verantwortlichen der Klimakatastrophe eine Entschädigung verlangen. Das ist nicht in Ordnung, Leute, etwas läuft furchtbar schief. Und wenn Sie mir nicht glauben, können Sie ja die todkranke Kuh fragen, die Sie gerade auf Ihrem Teller in Steaksauce ersäufen. Sie kannte die Antwort, aber wir haben sie abgemurkst, bevor sie mit ihrem Muhen etwas verraten konnte.

Aber machen wir uns nicht so viele Gedanken um Mutter Erde – sie hat schon Schlimmeres überstanden. Sollen doch die bäumestreichelnden Naturschützer schlaflose Nächte damit verbringen – wir sind viel zu sehr mit Geldverdienen beschäftigt!

Ah, Geld. Der süße Gestank des Erfolgs. Vor ein paar Jahren unterhielt ich mich einmal mit einem Typen in einer Bar, der sich als Börsenmakler entpuppte. Er fragte mich nach meinen »Geldanlagen«. Ich sagte ihm, daß ich keine habe, ich besäße keine einzige Aktie. Er war platt.

»Sie meinen, Sie haben kein Depot, in dem Sie Ihr Geld verwalten?«

»Ich halte es für keine gute Idee, sein Geld in einem Depot zu verwalten«, antwortete ich, »oder es in einer Aktentasche oder unter der Matratze aufzubewahren. Das enige, was ich habe, bringe ich auf die ›Bank‹, wie man so sagt, dort habe ich, wie wir altmodischen Leute es nennen, ein ›Sparkonto‹.«

Er fand das nicht komisch. »Sie betrügen sich doch nur selbst«, antwortete er. »Und Sie sind verantwortungslos. Ich habe gelesen, daß Sie mit Ihrem ersten Film viel Geld gemacht haben. Wissen Sie, wieviel Sie heute hätten, wenn Sie das vor zehn Jahren an der Börse investiert hätten? Wahrscheinlich etwa 30 Millionen.«

Dreißig Millionen? Dollar? So viel? Arrrggghhh!!! Wie konnte ich nur so blöd sein? Mir wurde ganz übel. Ich hatte das Gefühl, daß meine Prinzipien und Ansichten mit einem Mal auf ein Minimum zusammenschrumpften. Ich entschuldigte mich und ging nach draußen. Einige Zeit später kam der Börsenmakler irgendwie an meine Adresse und sandte mir jede Woche »Börsennews« und anderes Werbematerial. Er nährte wohl die Hoffnung, ich würde die Ersparnisse für die Ausbildung meiner Kinder an der
Wall Street verzocken.

Nun, mittlerweile kommen keine Werbebroschüren für »Top-Anlagen« mehr. In den letzten eineinhalb Jahren ist die Microsoft-Aktie von 120 Dollar auf 40 Dollar abgesackt, Dell von 50 Dollar auf 16 Dollar und Pets.com mit seinem süßen kleinen Maskottchen ist inzwischen im Hundehimmel. Der NASDAQ hat fast 40 Prozent seines Wertes eingebüßt, und jene Amerikaner, die von der allgemeinen Aktienbegeisterung mitgerissen wurden und ihre kümmerlichen Ersparnisse aufs Spiel setzten, haben Milliarden verloren. Der Traum von einem »vorgezogenen Ruhestand« ist in weite Ferne gerückt, wir haben Glück, wenn wir auf eine Vierzigstundenwoche zurückgestuft werden, wenn wir zweiundachtzig sind oder das Wasser nicht mehr halten können, je nachdem, was zuerst kommt.

Allerdings sind nicht alle von uns betroffen. Es gibt fast 56 000 neue Millionäre im Land – und dieser Reichtum basiert auf Gaunereien. Die neuen Millionäre wurden reich, weil sie bereits ein hübsches Sümmchen hatten, als sie anfingen, und das dann in Unternehmen investierten, die prosperierten, weil sie Mitarbeiter auf die Straße setzten, Kinder und Arme in anderen Ländern ausbeuteten und enorme Steuererleichterungen bekamen. Für sie war Raffgier nicht nur gut, sondern obligatorisch. Sie haben so erfolgreich ein allgemeines Klima der Raffgier geschaffen, daß das Wort aus der Mode kam. Heute sagt man ERFOLG! dazu (ja, das Wort hat sein eigenes Ausrufezeichen). Schon bald prangerte es niemand mehr als falsch oder obszön an, wenn man den Hals nicht voll genug kriegen konnte. Raffgier ist mittlerweile so alltäglich, daß wir beiseite traten und einfach zusahen, als dieser Typ aus Texas raffgierig wurde und nach einer Wahl, die er nicht gewonnen hatte, ins Weiße Haus zog – er war doch nicht raffgierig, er war nur schlau. Genausowenig sind die riskanten Genmanipulationen des Agrobusineß an Ihren Cornflakes nicht irrwitzig oder von Raffgier getrieben – nein, das ist Fortschritt. Und auch der Junge von nebenan, der den dicksten Geländewagen will, der je gebaut wurde, ist nicht raffgierig – er will einfach nur mehr Hubraum, Baby!

Der Virus der dummen Weißen ist so stark, daß er sogar gewiefte Politiker wie Colin Powell, die Innenministerin Gale Norton und Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice befallen hat. Und er hat uns tief in die Scheiße geritten, eine große, nationale Scheiße, die man überall findet, egal, wohin man geht. Wir stecken so tief drin, daß ich mich frage, ob wir je wieder rauskommen.

Natürlich versuchen wir alle den Moment zu vergessen, als dieser häßliche Wertewandel die kritische Masse erreichte und die Kräfte des Bösen die Macht übernahmen. Ich weiß, um was es geht, Sie wissen, um was es geht, sogar ein Idiot wie der Nachrichtenmoderator Brit Hume weiß, um was es geht. Es ist diese verdammte geklaute Wahl. Gestohlen, geraubt, geklaut und dem amerikanischen Volk aus den Händen, ja, aus dem Herzen gerissen. Es gibt absolut KEINEN ZWEIFEL daran, wer die meisten Stimmen erhielt, und auch die üblen Tricks, die in Florida angewandt wurden, sind mittlerweile kaum zu leugnen, und trotzdem ist der, der gewonnen hat, nicht der Mann, den wir heute nachmittag auf dem Rasen vor dem Weißen Haus Ball spielen sehen.

Wir sagen uns, es sei doch gar nicht so schlimm – ihr müßt darüber hinwegkommen, heißt es. Aber die Ereignisse an jenen 36 Tagen haben uns schwer mitgenommen, uns den Wind aus den Segeln genommen und uns etwas tief in den nationalen Hals getrieben, an dem wir nun zu ersticken drohen. Jetzt kann uns nur noch ein großes nationales Heimlich-Manöver retten wie bei den Simpsons. Jemand muß uns den Ellbogen in den Magen rammen, damit der Brocken wieder rausfliegt. Wir stolpern mit blau angelaufenen Gesichtern herum und fragen uns, ob die Rettung noch rechtzeitig kommen wird. Werde ich meinen Job nächstes Jahr noch haben? Was passiert mit meiner Rente? Gelten Eiswürfel ab sofort als Nahrungsmittel?

DU ZÄHLST NICHTS! Das ist eine harte Lektion. Noch härter ist es, wenn man feststellt, daß all das, was man angeblich immer tun soll – wählen gehen, das Gesetz befolgen, seine Bierdosen recyceln -, auch nicht zählt. Man kann gleich die Jalousien herunterlassen und das Telefon ausstöpseln, denn als Amerikaner ist man gerade für irrelevant erklärt worden. Wir bedauern Ihnen mitteilen zu müssen, daß Ihre Dienste als Staatsbürger nicht mehr benötigt werden.

Überall herrscht Verwirrung, und die Erschütterungen der nationalen Frustration bringen bereits den Boden unter unseren Füßen ins Wanken. Das Grollen läßt nicht nach, es wird mit jedem Tag lauter. Acht Monate nach der Wahl ergab eine Umfrage von Fox News, daß fast 80 Prozent der Amerikaner NICHT darüber hinweg sind, wie Bush das Weiße Haus übernahm – wir sind immer noch »aufgebracht«. Das ist eine ganz schön lange Zeit für einen Groll gegen unseren Regierungschef. Wenn eine derartige Stimmung außer Kontrolle gerät – ohne daß raffinierter Zucker oder die Talk-Show-Lady Oprah Winfrey dahinterstecken –, kann sie die Geschichte verändern. Millionen Amerikaner aller politischen Ausrichtungen fühlen sich aus dem Gleichgewicht gebracht, sind unsicher, aufgebracht oder verbittert. Der Rest sitzt im Gefängnis.

Die Bürger in Amerika sind der Ansicht, das Staatsschiff sei ins Schlingern geraten und niemand stehe am Steuer; schließlich hat der Steuermann keine Mehrheit hinter sich – und obendrein war er am Steuer schon einmal betrunken, wie er selbst eingestanden hat.

Eingefleischte Republikaner hoffen verzweifelt, daß Big Dick Cheney noch ein paar Herzanfälle mehr überlebt und lange genug aushält, um die Plünderung und Vergewaltigung von allem, was westlich von Wichita liegt, zu beaufsichtigen. Sie übersehen dabei, daß er beim Rest des Landes schon den Herzstillstand herbeigeführt hat. In der Zwischenzeit setzen er und seine Bande alles daran, soviel wie möglich von der Umwelt, der Verfassung und den Beweisen zu vernichten, bevor die Rache am Tag der Wahl 2002 naht.

Ich bin davon überzeugt, daß eine Triage bevorsteht und die Verletzten nach der Schwere ihrer Verletzungen eingeteilt werden. Das amerikanische Volk wird die lebenserhaltenden Systeme für diese Regierung schneller abschalten als man »Jack -Dr. Tod – Kevorkian« sagen kann, und der hat schließlich nur bei 130 Patienten aktive Sterbehilfe geleistet. Holzen Sie weiter ab, Miß Norton – soweit ich gehört habe, wachsen Bäume wieder! Bomben Sie ruhig, Mr. Rumsfeld und General Powell – wir haben keinen Sergeant Tim McVeigh mehr, den sie mit Orden behängen können und der anschließend in Oklahoma ein Hochhaus in die Luft jagt. Weiter so mit Ölbohrungen, Mr. Abraham – ehe Sie sich versehen, werden Sie als Parkwächter arbeiten und die großen Benzinschlucker am Grosse Pointe Jachthafen parken müssen! Der Elefant ist das Maskottchen der Republikaner, aber schon bald werden Elefanten wie der Heilige Jeffords, Senator aus Vermont, das sinkende Schiff dieser Regierung verlassen. Im Senat haben die Demokraten bereits die Mehrheit. Wir anderen werden uns entspannt zurücklehnen, die Show genießen und überlegen, wie wir die nächste Rate für das Haus bezahlen sollen und am besten einen Unterschlupf suchen, während die sterblichen Überreste von Antonin Scalia wie ein kalter Regen im Januar auf uns herabrieseln werden, weil dieser Richter am Obersten Gericht mit dafür gesorgt hat, daß die Stimmen in Florida nicht neu ausgezählt wurden. He, verdammt, wartet! ES REGNET NICHT IM JANUAR!

Panik macht sich breit. Die Medien können wegsehen, wenn sie wollen, und die Experten können versuchen, ihre Lügen so oft zu wiederholen, bis sie wie die Wahrheit klingen. Aber wir Millionen Amerikaner werden nicht darauf hereinfallen. Die Börse macht nicht nur ein »zyklisch bedingtes Tief« durch. An »genetisch verbessertem Rindfleisch« ist nichts Gutes. Die Bank will nicht mit Ihnen »zusammenarbeiten«, wenn Sie mit Zahlungen im Rückstand sind. Und der Monteur kommt nicht »zwischen 8 und 17 Uhr« – oder überhaupt irgendwann. Das sind alles nur eitle Schwätzer, und je eher sie merken, daß wir ihnen auf den Fersen sind, desto schneller bekommen wir unser Land zurück.

Heute brachte ich mein Auto, das erst ein Jahr alt ist und weniger als 6400 Kilometer auf dem Buckel hat, in die Werkstatt des Händlers, bei dem ich es gekauft habe. Warum? Jedesmal, wenn ich das Auto starten will, springt es nicht an. Ich habe den Anlasser, die Batterie, die Zündkerzen und den Computerchip austauschen lassen, aber nichts hat geholfen. Als ich dem Service Manager meine Leidensgeschichte erzählte, sah er mich mit leerem Blick an: »Oh, diese neuen Beetles – die springen nur an, wenn man sie jeden Tag fährt.« Ich dachte, ich hätte nicht richtig gehört – schließlich sprach er perfektes Englisch. Also fragte ich ihn nochmal, wo das Problem liege.

Er schüttelte mitleidig den Kopf. »Schauen Sie, diese VW werden von einem Computersystem gesteuert, und wenn der Computer keine Aktivität verzeichnet – nämlich, daß Sie ihn jeden Tag starten und damit herumfahren –, dann geht der Computer davon aus, daß die Batterie leer ist oder so etwas, und legt das ganze Auto lahm. Besteht vielleicht die Möglichkeit, daß Sie oder jemand anderes zur Garage gehen und ihn einmal am Tag anlassen?«

Ich war sprachlos. »Wenn man das Auto nicht jeden Tag anläßt, geht es kaputt!« Welches Jahr schreiben wir eigentlich? 1901? Ist es vermessen von mir zu erwarten, daß ein Auto, für das ich 20000 Dollar bezahlt habe, anspringt, sobald ich den Schlüssel im Zündschloß drehe? Heutzutage gibt es nicht mehr viel auf der Welt, worauf man sich verlassen kann: die Sonne geht immer noch im Westen unter, der Papst liest an Heiligabend die Messe und Strom Thurmond erwacht zu neuem Leben, wenn es eine ehemalige First Lady zu befummeln gibt. Ich dachte, ich könnte mich zumindest an diesen letzten Glaubensartikel klammern: Ein brandneues Auto springt immer an – Punkt!

»Wie 95 Prozent der Kunden, an die Sie diese New Beetles verkauft haben, lebe ich in Manhattan«, sagte ich. »Kennen Sie einen einzigen Menschen in Manhattan, der jeden Tag Auto fährt?«

»Wir verstehen Sie natürlich. Niemand in der City fährt jeden Tag mit seinem Wagen. Alle fahren U-Bahn! Ich weiß nicht, warum diese Autos überhaupt in New York verkauft werden. Es ist wirklich eine Schande. Haben Sie es schon mit einem Beschwerdebrief an Volkswagen versucht? Gibt es vielleicht einen Jungen in der Nachbarschaft, der Ihr Auto für Sie jeden Tag ein paar Minuten laufen lassen kann?«

Da sitze ich nun also mit einem Auto, das nicht fährt, in einem Land, in dem nichts funktioniert und alles zum Himmel stinkt. Und jeder Mann, jede Frau, jedes vom Staat mit Tests geplagte Kind steht alleine da. Frei nach Darwin: Survival of the Riebest – Nur die Reichen werden überleben. Glauben Sie bloß nicht, daß für Sie, Sie oder Sie noch Platz im Rettungsboot ist! Aber es muß doch eine bessere Lösung geben ...

Ein sehr amerikanischer Coup

Die folgende Nachricht wurde von UN-Truppen am 9. 1. 01 um 6 Uhr Ortszeit auf dem amerikanischen Kontinent abgehört: Ich bin ein Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika. Unsere Regierung wurde gestürzt. Unser gewählter Präsident wurde ins Exil geschickt. Alte weiße Männer, die Martinis schwenken und Fliege tragen, haben die Hauptstadt des Landes besetzt. Wir sind umstellt. Wir sind die Regierung der Vereinigten Staaten im Exil.

Wir sind viele. Zu uns gehören über 154 Millionen Erwachsene und 80 Millionen Kinder. Das sind 234 Millionen Menschen, die das Regime, das sich selbst an die Macht gebracht hat, nicht gewählt haben und damit auch nicht von ihm vertreten werden. AI Gore ist der gewählte Präsident der Vereinigten Staaten. Er erhielt 539898 Stimmen mehr als George W. Bush. Dennoch sitzt er heute nicht im Oval Office. Statt dessen zieht unser gewählter Präsident ohne Ziel und Auftrag durchs Land und taucht nur gelegentlich auf, um vor Collegestudenten einen Vortrag zu halten oder seinen Vorrat an Little Debbie’s Snack Cakes aufzustocken.

AI Gore hat gewonnen. AI Gore, Präsident im Exil. Lang lebe El Presidente Albertoooooo Gorrrrrrrrrrre!

Wer ist dann der Mann, der jetzt die Pennsylvania Avenue Nr. 1600 besetzt hält? Ich sage es Ihnen: Es ist George W. Bush, »Präsident« der Vereinigten Staaten. Der Gauner im Amt.

Früher warteten Politiker, bis sie im Amt waren, bevor sie zu Gaunern wurden. Diesen Gauner jedoch bekamen wir fix und fertig geliefert. Jetzt ist er ein unbefugter Eindringling in einem Regierungsgebäude, ein Hausbesetzer im Oval Office. Wenn ich Ihnen sagen würde, ich würde über Guatemala berichten, würden Sie mir unabhängig von Ihrer politischen Ausrichtung sofort glauben. Aber weil dieser Staatsstreich in die amerikanische Flagge gewandet war und in den Farben rot, weiß und blau daherkam, glauben die Verantwortlichen, sie kämen damit durch.

Deswegen habe ich im Namen der 234 Millionen Amerikaner, die als Geißel gehalten werden, darum gebeten, daß die NATO das tut, was sie schon in Bosnien und im Kosovo getan hat, was die Amerikaner auf Haiti taten und was Lee Marvin in Das dreckige Dutzend getan hat: Schickt die Marines! Macht die SCUD-Raketen startbereit! Bringt uns den Kopf von Richter Antonin Scalia!

Ich habe an UN-Generalsekretär Kofi Annan geschrieben und ihn um Hilfe gebeten. Wir sind nicht mehr länger in der Lage, uns selbst zu regieren oder freie und faire Wahlen abzuhalten. Wir brauchen UN-Beobachter, UN-Truppen, UN-Resolutionen! Verdammt, wir brauchen Jimmy Carter!

Wir sind nicht besser als irgendeine gottverlassene Bananenrepublik. Wir fragen uns, warum wir morgens aufstehen, uns den Arsch abarbeiten und Güter und Dienstleistungen produzieren, die nur dazu dienen, die Junta und ihre Truppen in Corporate America (ein separates, eigenständiges Lehen innerhalb der Vereinigten Staaten, dessen Sachwalter seit einiger Zeit eigene Wege beschreiten dürfen) noch reicher zu machen. Warum sollen wir Steuern zahlen und so den Staatsstreich finanzieren? Können wir je wieder unsere Söhne in die Schlacht schicken, damit sie ihr Leben für den »American Way of Life« opfern – wenn damit nur der Lebensstil der alten grauen Herren gemeint ist, die sich in dem von ihnen besetzten Hauptquartier am Potomac verschanzt haben?

Oh JesusMariaundJosef, ich halte es nicht mehr aus! Reich mir doch mal jemand die Fernbedienung! Ich muß wieder auf das Märchen umschalten, daß ich ein Bürger in einer Demokratie mit dem unveräußerlichen Recht aufleben, Freiheit und dem Streben nach Icecream bin. Als Kind erzählte man mir, daß ich wichtig bin, daß ich jedem meiner Mitbürger ebenbürtig bin – und daß kein einziger von uns ungleich oder ungerecht behandelt werden und daß man Macht über andere nur mit deren Zustimmung ausüben darf. Der Wille des Volkes. Noch immer singen wir »God Bless America« und »The Star Spangled Banner«. America the Beautiful. Land, that I love. Twilight’s ...
last ... gleaming. Oh say, can you see – sind die belgischen Blauhelme schon unterwegs? Beeilt euch!

Der Coup wurde schon lange vor den miesen Tricks am Wahltag 2000 geplant. Im Sommer 1999 zahlte Katherine Harris vier Millionen Dollar an Database Technologies. Harris ist nicht nur Ehrenmitglied bei den dummen weißen Männern, sondern auch stellvertretende Wahlkampfleiterin für Bush und Innenministerin von Florida. Damit war sie für die Durchführung der Wahl in ihrem Staat verantwortlich. Database sollte die Wahlregister Floridas durchgehen und jeden streichen, den man eines Verbrechens »verdächtigte«. Harris handelte mit dem Segen des Gouverneurs von Florida, George W. s Bruder Jeb Bush – dessen tugendhafte Gemahlin einmal bei dem Versuch erwischt wurde, Schmuck im Wert von 19000 Dollar am Zoll und an der Steuer vorbei ins Land zu schmuggeln ...

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